Absinth macht doch nicht blind

25.04.2008

Seit dem Höhepunkt der Absinth-Popularität im 19. Jahrhundert ranken sich Mythen um den grünlichen Wermutschnaps. Vincent van Gogh soll sich im Absinthrausch sein Ohr abgeschnitten haben. Menschen sollen in den Wahnsinn getrieben oder blind davon geworden sein. Verantwortlich gemacht wurde hierfür das im Absinth enthaltene Thujon, eine psychoaktive Substanz, die in hohen Konzentrationen giftig wirke. Eine aktuelle wissenschaftliche Analyse von originalen Absinthproben, die vor 1915 hergestellt wurden, ist den Legenden auf den Grund gegangen und hat ernüchternde Ergebnisse hervorgebracht.

Ausgangspunkt des Mythos ist das Thujon, ein natürlicher Bestandteil des Wermutkrauts (Artemisia Absinthium). Thujon wurden halluzinogene und gesundheitsschädliche Wirkungen nachgesagt, die zu einem eigenen Krankheitsbild dem sogenannten „Absinthismus“ geführt hätten. Daraufhin kam es zu einem Absinthverbot, das in Deutschland von 1923 bis 1991 galt. Heute sind nur noch Absinthgetränke bis zu einem Höchstwert von 35 mg pro Liter zugelassen. Nach früheren wissenschaftlichen Schätzungen lag die Konzentration bei den im 19. Jahrhundert üblichen Rezepturen angeblich mit etwa 260mg/l wesentlich höher.

Ein Forschungsteam aus Großbritannien, Deutschland und den USA haben jetzt die Wahrheit über Thujon in Absinth aufgedeckt. Das Team analysierte erstmals den Thujongehalt authentischer Absinthproben, die vor 1915 hergestellt wurden.

Die Flaschen wurden in Frankreich, der Schweiz, in Spanien, Italien und den Niederlanden, sowie den USA entdeckt. Nur Flaschen, die strengen Authentizitätsstandards entsprachen, wurden in die Studie miteinbezogen. Beispielsweise mussten sie ein intaktes Wachssiegel, originalerhaltene Korken und Etiketten aufweisen.

Insgesamt dreizehn Absinthproben - darunter befinden sich viele der damals größten und populärsten Marken - wurden neben Thujon auf weitere Parameter untersucht, die mit der Toxizität (Giftigkeit) von Absinth in Verbindung gebracht wurden, darunter weitere pflanzliche Inhaltsstoffe, aber auch Methanol, höhere Alkohole, Kupfer und Antimon.

Die Ergebnisse zeigen schlüssig, dass die Thujongehalte von historischem Absinth bisher erheblich überschätzt wurden. Der Gesamtthujongehalt der 13 untersuchten Proben lag im Bereich zwischen 0,5 und 48,3 mg/L. Im Gegensatz zu den genannten Spekulationen lag die mittlere Thujonkonzentration mit 33,3 mg/L im Bereich des modernen EU-Grenzwertes von 35 mg/L.

Auch alle anderen Bestandteile waren toxikologisch unbedenklich. Außer hoher Konzentrationen Ethanol - dem Trinkalkohol - wurde nichts in den Absinthen gefunden, das den sogenannten „Absinthismus“ erklären könnte. Mit anderen Worten: die historische Dämonisierung von Absinth baute auf der falschen Vorraussetzung auf, dass Absinth ein thujonreiches Getränk sei.

Quellen:
Pressemitteilung
Originalartikel


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