Wie sich der Alkoholkonsum während der Corona-Pandemie verändert hat

18.11.2020

Einer großen Online-Umfrage zufolge trinken die meisten Deutschen seit Ausbruch der Corona-Krise weniger Alkohol, aber nicht alle.

Bild: Saimen / photocase.de

„Alkohol ist dein Sanitäter in der Not, Alkohol ist dein Fallschirm und dein Rettungsboot“ sang einst Herbert Grönemeyer. In der Tat greifen manche Menschen bei Stress und anderem Ungemach gerne mal zu Alkohol. Um sich zu entspannen oder um die Sorgen zu vergessen. Die Corona-Pandemie ist so ein Ereignis, das negative Gefühle auslösen kann. Ob und wie sich der Alkoholkonsum in Deutschland und anderen europäischen Ländern während der Pandemie verändert hat, das hat sich ein Forschungsteam um Studienleiter Jacob Manthey von der Technischen Universität Dresden angeschaut.

Grundlage der Studie bildet eine Online-Umfrage in 21 europäischen Ländern. Die Befragung fand zwischen April und Juni dieses Jahres statt. Insgesamt haben sich über 40.000 Personen daran beteiligt. Den Selbstangaben zufolge haben 68 Prozent der befragten Deutschen die Corona-Pandemie als belastend empfunden. 17 Prozent gaben an, beruflich oder finanziell unter den Auswirkungen der Pandemie zu leiden. Damit stehen die Deutschen aber noch vergleichsweise gut da. Denn in anderen europäischen Ländern gaben 27 Prozent der Menschen an, beruflich oder finanziell negativ durch die Pandemie betroffen zu sein.

Weniger Rauschtrinken

Wie die Umfrage zeigt, scheint sich die Pandemie unterschiedlich auf den Alkoholkonsum auszuwirken, je nachdem wie belastet sich die Menschen fühlen. So deuten die Ergebnisse europaweit auf einen Rückgang des Alkoholkonsums hin. Dieser Rückgang war in Deutschland aber geringer ausgeprägt als in anderen europäischen Ländern.

Generell wird der Rückgang darauf zurückgeführt, dass die Gelegenheiten zum Rauschtrinken rückläufig waren. Partys waren im Lockdown verboten, Clubs sind immer noch geschlossen. 29 Prozent der Deutschen sagen, dass sie sich seit Beginn der Pandemie seltener betrunken hätten.

Etwas anders sah die Lage bei Personen aus, die sich beruflich verschlechtert haben oder finanzielle Einbußen erleiden mussten. Bei ihnen ist der Alkoholkonsum europaweit weniger stark rückläufig gewesen als in der übrigen Bevölkerung. In Deutschland hat der Alkoholkonsum bei Personen, die unter negativen Folgen leiden, sogar zugenommen. Und dass, obwohl ein geringerer Anteil der Bevölkerung in Deutschland sich negativ betroffen fühlt als im Rest Europas.

Günstiger Alkohol in Deutschland ein möglicher Grund für geringere Konsumreduktion

Das Forschungsteam nennt als möglichen Grund die unterschiedliche Besteuerung von alkoholischen Getränken in Europa. In Deutschland sei Alkohol eher günstig, weil die Steuern vergleichsweise niedrig seien. So werde für Wein gar keine und für Bier eine geringere Alkoholsteuer erhoben als für Spirituosen. Bei einem Rückgang der Kaufkraft durch eine verschlechterte finanzielle Situation wirke sich dieser Umstand nicht so deutlich auf den Alkoholkonsum aus wie in anderen Ländern, wo Alkohol höher besteuert wird.

Als zusätzlich problematisch beurteilt das Forschungsteam, dass mit der Pandemie sich auch die Gesundheitsversorgung für Menschen mit einem problematischen Alkoholkonsum verschlechtert habe. So sei beispielsweise ein stationärer Alkoholentzug im Frühjahr 2020 in der Regel kaum möglich gewesen. Dadurch bestünde die Gefahr, dass die gesundheitlichen Ungleichheiten sich verstärken. Manthey und sein Team schlagen daher vor, dass auch in der allgemeinärztlichen Versorgung verstärkt nach problematischen Alkoholkonsum gefragt und der Zugang zu Behandlungsmöglichkeiten verbessert werden sollte.

 

Quelle:

Manthey, J., Kilian, C., Schomerus, G., Kraus, L, Rehm, J. & Schulte, B. (2020). Alkoholkonsum in Deutschland und Europa während der SARS-CoV-2 Pandemie. Sucht, 66(5), 247-258.


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