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Saufen bis zum Blackout

Februar 2010

Karnevalist trinkt Alkohol

Bild: pixelio.de / Rolf van Melis

Etwa 10 Liter reinen Alkohol kippen sich die Deutschen jährlich hinter die Binde. Damit liegt Deutschland in der Spitzengruppe in Europa. Insgesamt ist die Tendenz zwar leicht rückläufig, doch das Rauschtrinken steht in manchen Teilen der Bevölkerung weiterhin hoch im Kurs. Besonders in der Karnevalszeit wird viel Alkohol getrunken, sehr oft zu viel. Was die meisten aber offenbar verdrängen: Bei jedem Alkoholrausch wird das Gehirn geschädigt. Vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen kann das Rauschtrinken langfristige Folgen haben. Doch trotz aller Appelle landen immer mehr junge Menschen in der Notaufnahme.

Wie Alkohol im Kopf wirkt

Alkohol wird überwiegend über die Schleimhäute des Dünndarms aufgenommen. Durch den Blutkreislauf gelangt der Trinkalkohol schnell ins Gehirn und verteilt sich dort. Die Alkoholwirkung entfaltet sich dann über einen chemischen Mechanismus durch die Beeinflussung bestimmter Neurotransmittersysteme. Neurotransmitter sind chemische Hirnbotenstoffe, die dafür sorgen, dass elektrische Impulse von einer Nervenzelle auf die nächste übertragen werden. Alkohol verstärkt die Wirkung des Neurotransmitters GABA. Der Botenstoff, der vom Wortklang her an eine Hardcore Techno-Variante erinnert, hat eine hemmende Wirkung. GABA wirkt beruhigend und verringert Angstgefühle. Daneben werden noch weitere neuronale Mechanismen ausgelöst, die zur sedierenden (betäubenden) Wirkung beitragen. Wie stark die Wirkung ist, hängt von der Blutalkoholkonzentration ab, die meist in Promille angegeben werden.

Stadien des Alkoholrauschs

Ab etwa 1 Promille beginnt das Rauschstadium. Die Sehfähigkeit verschlechtert sich, es kommt zum Tunnelblick. Die Sprache wir undeutlich und die Reaktionsfähigkeit nimmt rapide ab. Das Unfallrisiko ist nun etwa 10-mal so hoch wie unter nüchternen Bedingungen. Wer noch weiter trinkt, erreicht bald das Betäubungsstadium, das von starken Bewusstseinsstörungen geprägt ist. Akut gefährlich wird es, wenn beispielsweise in sehr kurzer Zeit Hochprozentiges getrunken wird. Dann hat der Körper nicht genug Zeit, sich durch Übelkeit und Erbrechen gegen das Gift, also den Alkohol, zu wehren. Trinkspiele, in denen um die Wette getrunken wird oder der Verlierer große Mengen Alkohol trinken muss, können lebensgefährlich sein. Denn beim „Komasaufen“ kann es zum Atemstillstand durch die Lähmung des Atemzentrums kommen. Bei Bewusstlosigkeit sollten Umstehende daher sofort Notfallmaßnahmen ergreifen.

Jugendliche und junge Erwachsene besonders gefährdet

Vom Rauschtrinken wird offiziell gesprochen, wenn fünf oder mehr Gläser bei einer Gelegenheit getrunken werden. Doch das kann individuell sehr unterschiedlich sein. Besonders Jugendliche können sehr viel empfindlicher auf Alkohol reagieren, so dass auch wenige Gläser zu einem ausgewachsenen Rausch führen können.

Problematisch ist, dass das Gehirn junger Menschen mehr Schaden nehmen kann, als das von Erwachsenen. Die jüngsten Ergebnisse der Hirnforschung legen nahe, dass sich das Gehirn bis ins frühe Erwachsenenalter von etwa 20 Jahren entwickelt. Mit der Geburt sind zwar schon alle Nervenzellen vorhanden, die Verschaltungen der Hirnregionen untereinander bilden sich aber erst im Laufe der Jahre und unter dem Einfluss von Lernerfahrungen aus. Wie sich herausgestellt hat, vollzieht sich dieser Prozess nicht immer konstant. Neben der frühen Kindheit spielt auch das Jugendalter eine wichtige Rolle. In dieser Phase gilt es für Jugendliche, sich aus der sicheren familiären Umgebung herauszulösen und neue soziale Bindungen einzugehen. Jugendliche müssen mehr wagen als sonst. Die Hirnforschung konnte nachweisen, dass dem riskanten Verhalten Umbauprozesse im Gehirn zugrundeliegen. Die Neigung zu riskanteren Aktivitäten umfasst jedoch auch den Umgang mit Alkohol, zumindest in Kulturen, in denen Alkoholkonsum geduldet wird.

Keine risikoarme Menge

Ethanol, so die korrekte chemische Bezeichnung des Trinkalkohols, kann in dieser wichtigen Entwicklungsphase langfristig Spuren im Gehirn hinterlassen. Eine gestörte Hirnentwicklung ist die Folge. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass bei Jugendlichen, die sich häufig betrinken, ein Hirnareal, das als Hippocampus bezeichnet wird, signifikant verkleinert ist. Der Hippocampus trägt entscheidend dazu bei, dass Informationen vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis übergehen, damit wir uns neu Erlerntes auch wirklich merken. Funktioniert der Hippocampus nicht richtig, ist die Lernfähigkeit gestört.

Doch auch kleinere Alkoholmengen, die noch keinen Vollrausch zur Folge haben, können die Hirnchemie nachhaltig beeinflussen. Aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse wurden jüngst die Empfehlungen für den Umgang mit Alkohol beispielsweise in Australien oder Großbritannien überarbeitet. Demnach wird Jugendlichen bis zur Volljährigkeit empfohlen, gar kein Alkohol zu trinken, da die Wissenschaft keine Grenze definieren kann, die für junge Menschen als risikoarm bezeichnet werden kann.

Zunahme an Alkoholvergiftungen

Anders als es die mediale Berichterstattung annehmen lässt, ist die Verbreitung des Alkoholkonsums bei jungen Menschen insgesamt betrachtet eher rückläufig. So stellt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in ihrer Drogenaffinitätsstudie fest, dass die Rauschhäufigkeit bei den 12- bis 17-Jährigen gesunken ist. Während 2007 noch 26 Prozent der Jugendlichen sich zumindest einmal pro Monat betrunken haben, waren es in der Erhebung 2008 nur noch 20 Prozent. Unter den Jugendlichen, die sich öfter betrinken, scheint es aber eine Gruppe zu geben, die es öfter mal „richtig krachen lassen“.

Denn die Anzahl der wegen einer akuten Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingelieferten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist 2009 um 11 Prozent, also deutlich gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Insgesamt waren es 25.700 Patientinnen und Patienten im Alter zwischen 10 und 20 Jahren. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist die Zahl sogar um 170% gestiegen, damals waren rund 9.500 junge Patientinnen und Patienten mit der Diagnose „akute Alkoholintoxikation“ stationär in Behandlung.

Der Begriff „Alkoholvergiftung“ legt die Vermutung nahe, dass Alkohol erst ab einer bestimmten Dosis giftig ist. Aus Sicht des Rettungsdiensts mag dies stimmen, weil leicht angetrunkene Personen in der Regel keinen Notfall darstellen. Doch im Prinzip ist jeder Rauschzustand eine „Vergiftung“, deren Risiko mit ansteigender Dosis zunimmt.

Fazit

Bei regelmäßigem Rauschtrinken kann das Gehirn unumkehrbar geschädigt werden. Eine der schwersten Erkrankungen ist das so genannte Korsakow-Syndrom, bei dem es zum Absterben ganzer Hirnregionen kommt: Die Betroffenen können sich nichts merken, sie leiden unter einer schweren Demenz (intellektueller Verfall). Dies ist aber nur das Endstadium. Bei häufigem Konsum riskanter Mengen ist der geistige Verfall schleichend. Ein Blackout nach durchzechter Nacht sollte als Warnzeichen interpretiert werden. Denn der zeitweilige Gedächtnisverlust weist darauf hin, dass die Verarbeitung im Hippocampus fehlgeschlagen ist.

 


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