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Wie Schockbilder zum Rauchausstieg beitragen

Oktober 2018

Schön ist was anderes. Aber das ist gewollt. Zigarettenpackungen müssen großflächig abschreckende Bildern zeigen, um auf die Folgen des Rauchens aufmerksam zu machen. Studien zufolge können bildliche Warnhinweise einen Beitrag dazu leisten, Menschen zum Rauchausstieg zu bewegen. Allerdings scheinen sich weder die Risikoeinschätzung noch die Einstellungen gegenüber dem Rauchen zu ändern.

Skelett mit Augen raucht Zigarette

Bild: gerasimov174 / Fotolia.com

Bilder von Raucherlungen, verfaulten Zähnen oder sterbenskranken Menschen sind nicht schön anzusehen. Doch „der Zweck heiligt die Mittel“. Das schonungslose Zeigen der gesundheitlichen Folgen des Rauchens soll den Menschen vor Augen führen, was sie sich und anderen antun, wenn sie zur Zigarette greifen.

Seit Mai 2016 müssen Zigarettenschachteln und andere Tabakerzeugnisse in Deutschland großflächig mit abschreckenden Bildern versehen werden. Vorher waren lediglich Textwarnungen wie „Rauchen kann tödlich sein“ vorgeschrieben. Textwarnungen sollten über die Gefahren des Rauchens informieren und Raucherinnen und Raucher zum Umdenken anregen. Doch mit dem Wissen ist das so eine Sache. Die meisten Menschen wissen auch, dass sie mehr Sport treiben und sich gesünder ernähren sollten. Aber Wissen ist das Eine und danach Handeln, nun ja, was anderes halt.

Bilder sollen hingegen nicht nur Informationen vermitteln, sondern auch emotionale Reaktionen auslösen und dadurch mittelbar unser Verhalten beeinflussen. Beispielsweise meiden wir in der Regel Dinge, die Angst oder Ekel hervorrufen. Aber funktioniert das auch mit Schockfotos auf Zigarettenpackungen? Können Bilder von schwarzen Lungen oder vergammelten Zähnen abhängige Raucherinnen und Raucher zum Ausstieg bewegen?

Bilder wirksamer als Text

Diese Frage wurde in einer großen Studie aus den USA untersucht. Studienleiter Noel Brewer und sein Team teilten über 2.000 Raucherinnen und Raucher zufällig in zwei Untersuchungsgruppen auf. Eine Experimentalgruppe durfte einen Monat lang ihre Zigaretten nur noch aus Packungen rauchen, deren Vorder- und Rückseite großflächig mit einem bildlichen Warnhinweis überklebt war. Die Zigarettenpackungen der Kontrollgruppe waren lediglich mit einem Warnhinweis in Textform versehen. Zum Zeitpunkt der Studie waren in den USA nur Texthinweise verpflichtend.

Vier Wochen später erfolgte eine Nachbefragung. Dabei zeigte sich, dass bildliche Warnhinweise besser als Textwarnungen in der Lage waren die Absicht zu stärken, mit dem Rauchen aufzuhören. 40 Prozent der Personen in der Experimentalgruppe haben versucht, das Rauchen einzustellen. In der Kontrollgruppe waren es nur 34 Prozent. Unter den Teilnehmenden der Experimentalgruppe waren am Ende des Untersuchungszeitraums 5,7 Prozent seit mindestens 7 Tagen rauchfrei, aber nur 3,8 Prozent in der Kontrollgruppe.

Die Unterschiede mögen klein erscheinen. Nach Einschätzung des Forschungsteam ist die Differenz dennoch bedeutend. Nicht nur können eine große Anzahl an rauchenden Menschen mit bildlichen Warnhinweisen erreicht werden, auch sind die hierfür aufzuwendenden Kosten vergleichsweise gering.

Unterstützt werden die Ergebnisse durch eine Forschungsarbeit unter der Leitung von Seth Noar. In dem Übersichtsartikel hat das Forschungsteam Studien gesichtet, in denen das Rauchverhalten vor und nach Einführung von Text- oder Bildwarnungen wissenschaftlich untersucht wurde. 32 Studien aus 20 Ländern konnte das Team ausfindig machen. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass insbesondere die Einführung von bildlichen Warnhinweisen sowohl mit einer Reduzierung des Zigarettenkonsums als auch mit einer häufigeren Nutzung von Beratungshotlines und einer Zunahme von Ausstiegsversuchen in Zusammenhang steht.

Kein substanzieller Einfluss auf Risikowahrnehmung und Einstellungen

Warum Schockbilder Wirkung zeigen, ist bislang jedoch wissenschaftlich kaum untersucht. Bisher liefern nur theoretische Modelle Erklärungsansätze. Die meisten Modelle beruhen auf der Annahme, dass Warnhinweise das Wissen und die Risikoeinschätzung von Raucherinnen und Rauchern beeinflussen und eine Einstellungsänderung gegenüber dem Rauchen bewirken. Diese Effekte würden schließlich darin münden, dass Raucherinnen und Raucher Versuche unternehmen, das Rauchen aufzugeben.

Ob diese Modellvorstellungen tatsächlich zutreffen, hat das US-amerikanische Forschungsteam um Noel Brewer ebenfalls in der oben erwähnten Wiederholungsbefragung überprüft und hat ihre Ergebnisse in einem aktuellen Artikel veröffentlicht. Zur Überraschung der Forscherinnen und Forscher haben sich die Annahmen der theoretischen Modelle jedoch nicht bewahrheitet. Weder die Risikowahrnehmung noch die Einstellungen gegenüber dem Rauchen wurden substanziell beeinflusst. Dennoch haben mehr Personen der Experimentalgruppe einen Rauchausstieg in Angriff genommen haben.

Schockbilder verstärken negative Emotionen

Wie sich zeigte haben bildliche Warnhinweise zwar nicht die Einstellung gegenüber dem Rauchen verändert, sie konnten aber stärker die Aufmerksamkeit der Raucherinnen und Raucher auf sich ziehen als reine Textbotschaften. Bilder haben wirksamer negative Gefühle ausgelöst und haben häufiger dazu beigetragen, dass die Teilnehmenden über die schädlichen Folgen des Rauchens nachgedacht haben oder dass diese Gegenstand von Gesprächen mit anderen Personen waren.

Doch wie führen diese Effekte zum Rauchausstieg, wenn sich weder die Risikoeinschätzung noch die Einstellungen gegenüber dem Rauchen verändern? Noel Brewer und sein Team schlagen dazu ein alternatives Modell zur Erklärung vor. Das Modell berücksichtigt, dass den meisten Raucherinnen und Rauchern die Risiken des Rauchens durchaus bekannt sind. Sie wissen, dass Rauchen schädlich ist und eine Reihe von Krankheiten auslösen kann. Rauchen ist jedoch kein Verhalten, das sich ohne weiteres abstellen ließe. Schließlich sind die meisten Raucherinnen und Raucher abhängig, was bedeutet: Sie haben nur noch eingeschränkt Kontrolle über ihr Verhalten.

Dadurch ergibt sich allerdings eine so genannte kognitive Dissonanz: Damit gemeint ist der Widerspruch zwischen dem Wissen, dass Rauchen krank macht, und der Tatsache, dass sich die betroffene Person nicht entsprechend dieses Wissens verhält. In der Regel sind Menschen bestrebt, kognitive Dissonanz zu vermeiden, entweder indem sie sich anders verhalten oder ihre Einstellungen und Überzeugungen ändern. Da Raucherinnen und Rauchern ihr Laster nicht ohne weiteres ablegen können, ändern sie eben ihre Haltung gegenüber dem Rauchen. Rauchen wird zwar weiterhin als generell ungesund angesehen, allerdings wird das persönliche Erkrankungsrisiko heruntergespielt oder ausgeblendet.

Bilder holen Folgen des Rauchens immer wieder ins Bewusstsein

Werden Raucherinnen und Raucher nun bei jedem Griff zur Schachtel bildlich mit den Folgen des Rauchens konfrontiert, so ändert dies zwar nichts an der generellen Einschätzung der Risiken. Allerdings wird ihre Aufmerksamkeit immer wieder auf das gesundheitliche Risiko gelenkt und das Wissen um die Gefahren immer wieder lebendig ins Bewusstsein geholt. Die unterschwellig vorhandene Angst vor den gesundheitlichen Folgen wird somit immer wieder angefacht und die auf wackeligen Beinen fußende Überzeugung der persönlichen Unverwundbarkeit gerät immer häufiger ins Wanken.

Da die Bilder auch für andere Menschen sichtbar sind, wird die rauchende Person zudem häufiger in Gespräche über das Rauchen verstrickt als wenn nur Textwarnungen die Packung zieren. Letztlich verstärken bildliche Warnhinweise dadurch die Motivation, aus dem Rauchen auszusteigen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person, ernsthafte Ausstiegsversuche unternimmt.

Brewer und sein Team erläutern, dass die Umsetzung des Rauchausstiegs somit nicht zwangsläufig eine Einstellungsänderung voraussetzt. Die Einstellung gegenüber dem Rauchen wird sich vermutlich erst nachfolgend ändern, wenn die Person den Rauchausstieg bereits in die Tat umgesetzt hat, um ihre Einstellungen wieder in Einklang zu bringen, mit dem neuen Status als Nichtraucherin oder Nichtraucher.

Fazit

Im Grunde wissen die meisten Raucherinnen und Raucher wie ungesund das Inhalieren von verbranntem Tabak ist. Dennoch scheinen bildliche Warnhinweise ihre Berechtigung zu haben. Sie ändern zwar kaum etwas an der Einschätzung der Risiken oder den Einstellungen gegenüber dem Rauchen. Allerdings können Schockmotive stärker emotionale Reaktionen hervorrufen als Textwarnungen. Das Wissen um die Risiken wird so bei jedem Griff zur Packung erneut aktiviert. Zudem liefern bildliche Warnhinweise häufiger Gesprächsstoff über die Risiken des Rauchens.

Schockbilder funktionieren somit nach dem Prinzip „Steter Tropfen höhlt den Stein“. Immer wieder wird die Aufmerksamkeit auf die Folgen des Rauchens gelenkt. Bei manchen Raucherinnen und Rauchern mag dieser Effekt abperlen. Ein gewisser Anteil der Rauchenden ist aber durchaus empfänglich für bildliche Botschaften und wird verstärkt motiviert, den Rauchausstieg in Angriff zu nehmen.

Quellen:


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