Drogen im städtischen Abwasser

05.08.2011

Die Wissenschaft bittet neuerdings die Bevölkerung ganzer Städte zur kollektiven Urinprobe - zumindest im übertragenen Sinn. Denn einige Forscherinnen und Forscher suchen im städtischen Abwasser nach Überbleibseln illegaler Substanzen. Und tatsächlich kann diese „Abwasserepidemiologie“ aufschlussreiche Informationen zur Verbreitung und saisonalen Veränderung des Drogenkonsums liefern, wie jetzt norwegische Wissenschaftler am Beispiel Oslos zeigen konnten.

Hinweisschilder für Damen- und Herrentoiletten an einer Marmorwand, ein Pfeil weist nach Links

Bild: Erdbeertorte / photocase.com

Mitte Mai feiern die norwegischen Schulabgänger traditionell ihren Schulabschluss mit der so genannten „Russfeier“. Die Feierlichkeiten, zu denen einige tausend ehemalige Schülerinnen und Schüler zusammen kommen, ziehen sich meist über mehrere Tage oder sogar Wochen hin. Um diesen Partymarathon durchhalten zu können, konsumieren etliche Feierwütige offensichtlich auch Ecstasy (MDMA). Das verrät das Abwasser der Stadt Oslo.

Das Team um Christoper Harman und Malcom Reid hatte zu Beginn des vergangenen Jahres spezielle Filtersysteme in der Osloer Kanalisation installiert, mit deren Hilfe bestimmte Substanzen aus dem Abwasser herausgefiltert und anschließend analysiert werden konnten. Gesucht haben die Wissenschaftler in erster Linie nach illegalen Drogen, aber auch nach chemischen Bestandteilen, die nach dem Konsum der Drogen als Abbauprodukte ausgeschieden werden. Und sie wurden fündig. Neben MDMA konnten sie unter anderem auch Kokain, Amphetamine und Methamphetamine im Abwasser nachweisen.

Doch es blieb nicht nur bei dem reinen Nachweis der Drogen. Im Jahresverlauf konnten die Wissenschaftler auch bestimmte Schwankungen hinsichtlich der Konsummenge nachweisen. So stieg beispielsweise zum Zeitpunkt der „Russfeier“ die Konzentration von MDMA im Abwasser, verglichen mit dem Rest des Jahres, fast um das Vierfache an. Neben den illegalen Substanzen wurde auch die Konzentration eines Allergiemedikaments im Abwasser gemessen. Erwartungsgemäß war dessen Konzentration genau in den Monaten besonders hoch, in denen die meisten Pollen unterwegs waren und das Medikament am häufigsten verschrieben wurde.

Mit Hilfe der Abwasseranalysen ist auch die Berechnung der Menge an konsumierten Drogen möglich. Für das Jahr 2010 kalkulierten die Wissenschaftler in Oslo einen Kokainkonsum von durchschnittlich etwa 0,3 bis 2,8 Gramm - pro Tag und pro 1000 Personen. Die Analyse des Abwassers erlaubte sogar noch weitere Spekulationen. Zu Beginn des Sommers wurde beispielsweise deutlich mehr Cocaethylen gefunden als im Rest des Jahres. Da Cocaethylen als Abbauprodukt in der Leber nur dann entsteht, wenn Kokain und Alkohol gleichzeitig konsumiert werden, scheint der Mischkonsum von Alkohol und Kokain zu Beginn des Sommers deutlich häufiger aufzutreten, als zu anderen Zeiten des Jahres.

Die Analyse des Abwassers ist dabei technisch nicht unkompliziert. Wassertemperatur, Fließgeschwindigkeit und Bakterien in der Kanalisation können die Analyseergebnisse beeinflussen. Gleiches gilt unter anderem auch für unterschiedliche Reinheitsgrade der konsumierten Drogen. Ergänzend zu den traditionellen Wegen der Datensammlung zum Drogenkonsum, wie beispielsweise durch Befragungen der Bevölkerung, kann die „Abwasserepidemiologie“ vermutlich einige wertvolle Hinweise auf den Bedarf an Interventionen liefern und womöglich auch deren Erfolge aufzeigen.

Quelle:
Harman, C., Reid, M., Thomas, K. (2011). In Situ Calibration of a Passive Sampling Device for Selected Illicit Drugs in Wastewater, and Subsequent Year-long Assessment of Community Drug Usage. Environmental Science and Technology.  E-Pub ahead of Print. Zusammenfassung


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