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Warum Kiffer aufhören zu kiffen und wie sie es geschafft haben

Januar 2020

Neues Jahr, neuer Versuch. Viele Cannabiskonsumierende haben den Wunsch, aus dem Kiffen auszusteigen. Einige haben es mit Hilfe von Quit the Shit geschafft. In Erfahrungsberichten erzählen sie, was sie zu dem Schritt bewogen hat und was ihnen half aufzuhören?

Mann mit Basecap und T-Shirt steht mit ausgebreiteten Armen auf einem Dach im Sonnenuntergang

Bild: VlaDee / istockphoto.com

5 Gramm am Tag waren normal. Über Jahre hatte Marvin* sich täglich zugedröhnt, mit entsprechenden Folgen. „Ich bin aus meiner WG rausgeflogen, hatte meine Ersparnisse aufgebraucht, mein Studium aufgegeben und konsumierte fast nur noch“, schrieb der 23-Jährige in einem Erfahrungsbericht. Er habe bereits einige Versuche unternommen, mit dem Kiffen aufzuhören. Mit der Hilfe von Quit the Shit sei es ihm schließlich gelungen.

Marvin hatte offensichtlich eine Cannabisabhängigkeit entwickelt. Wie viele andere hat er anfänglich vermutlich im Freundeskreis gekifft. Die meisten Menschen belassen es auch dabei. Ein Teil von ihnen kifft jedoch immer häufiger alleine. Problematisch wird es meist dann, wenn mit dem Kiffen immer öfter unangenehme Gefühle betäubt werden. Das können beispielsweise Einschlafschwierigkeiten sein, Langeweile oder Stress.

Psychische Probleme durch das Kiffen

Eine Weile kann das mehr oder weniger gut gehen. Allerdings können sich Folgeprobleme ergeben, wenn der Konsum immer mehr den Alltag bestimmt. „Anfangs nur in Gesellschaft war der Konsum noch in Ordnung. Es traten aber schon Paranoia-artige Zustände auf und es war oftmals einfach kein schöner Rausch. Mit der Zeit fing ich auch an, alleine zu rauchen. Dies führte zu vermehrten Angstzuständen und dem kompletten sozialen Rückzug“, schrieb der 24-jährige Niklas in seinem Erfahrungsbericht.

Als Paranoia wird das unbestimmte Gefühl bezeichnet, beobachtet oder verfolgt zu werden. Manchmal haben Betroffene lediglich den Eindruck, dass irgendetwas nicht stimmt. Paranoia als Folge des Kiffens ist gar nicht so ungewöhnlich. In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass der Cannabiswirkstoff bei einer von fünf Versuchspersonen Paranoia auslöst.

Zunehmender sozialer Rückzug

Manche Kiffer ziehen sich schließlich immer mehr zurück. So berichtet die 31-jährige Julia: „Ich habe mich durchs Kiffen total abgesondert von Freunden, von der Familie und von Hobbys.“ Einer anderen Teilnehmerin ging es ähnlich: „Ich habe bemerkt, dass ich meinen kompletten Alltag nach dem Kiffen ausrichte und Freunde, Familie und alles andere vernachlässige, fast mein ganzes Geld verrauche und gar nicht mehr wirklich am normalen Leben teilnehme.“

Generell scheint sich das Leben vieler Teilnehmenden von Quit the Shit immer mehr auf das Kiffen ausgerichtet zu haben. Alles wurde dem Konsum untergeordnet oder erschien nachrangig. Der anfängliche Spaß am Kiffen war dem Zwang gewichen, sich berauschen zu müssen. In der Folge nahmen viele Betroffene ihren Alltag nur noch „benebelt“ wahr. „Der ganze Tagesablauf drehte sich nur noch um den Konsum von Gras. Aufstehen, Tüte rollen, rauchen, frühstücken, duschen, rollen, rauchen ...“, schildert der 29-jährige Tobias seinen Alltag vor der Teilnahme bei Quit the Shit.

Eine andere Teilnehmerin sah ihr ganzes Leben den Bach runter gehen: „Ich habe jeden Tag vom Aufstehen bis zum Schlafengehen gekifft!!! Mein Leben war auf der Kippe wegen meines Drogenkonsums... Mein Job, mein Mann, meine Familie!!!“ Gleichzeitig litten viele der Teilnehmenden unter starker Antriebslosigkeit. Sie fühlten sich ständig müde, kraft- und lustlos oder geistig abwesend. Einerseits waren sie im „Scheißegal-Modus“, andererseits erlebten sie ein „großes Gefühl der Unzufriedenheit“ und nicht zuletzt auch chronischen Geldmangel.

Quit the Shit als helfende „Kontrollinstanz“

Die Teilnahme am Beratungsprogramm Quit the Shit war für viele Personen, die einen Erfahrungsbericht geschrieben haben, der entscheidende Schritt, um ihre Lethargie und die täglichen Rituale des Kiffens zu durchbrechen. Am meisten geholfen habe den Teilnehmenden nach eigenem Bekunden die tägliche und zielorientierte Auseinandersetzung mit ihren Konsumgewohnheiten sowie der Kontakt zu den Beraterinnen und Beratern. So schreibt die Userin Lara, 25 Jahre: „Besonders geholfen haben mir die straighten und aufbauenden Rückmeldungen meiner Beraterin. Es war jedoch auch gut, durch das Tagebuch einen Überblick und eine Art ‚Kontrollinstanz‘ zu haben und in den Übungen über alles zu reflektieren.“

Viele berichten, dass sie die Rückmeldungen der Beraterinnen und Berater sehr motivierend und hilfreich empfanden. Vor allem aber wussten sie, dass da eine Person war, der sie gewissermaßen Bericht erstatten mussten, die alle ihre Einträge im Tagebuch und in den Übungen liest. „Besonders motivierend fand ich jeweils die positive und aufbauende Rückmeldung meines Beraters. Da dieser Zugriff auf mein Tagebuch hatte, wusste ich, dass ich sozusagen kontrolliert werde. Dies war für mich vor allem in der Anfangsphase sehr wichtig“, hat Jennifer, 28 Jahre, geschrieben.

Rückfälle positiv nutzen

Das Programm mit seinem Tagebuch hat vielen Teilnehmenden den nötigen Rahmen und die Struktur gegeben, um den eigenen Konsum systematisch zu durchleuchten, Strategien für den Ausstieg zu entwickeln und Schritt für Schritt wieder die Kontrolle über das eigene Leben zu erlangen. Dabei spielen auch Rückfälle eine Rolle. So hatten viele der Konsumierenden in der Vergangenheit versucht, ohne Hilfe ihren Konsum in den Griff zu kriegen, wurden rückfällig und haben ihr altes Konsummuster wieder aufgegriffen.

Durch das Programm haben die Teilnehmenden gelernt, dass Rückfälle auch nützlich sein können, wie die 37-jährige Lara zu berichten weiß: „Ich hatte durch das Programm viele Möglichkeiten, mein Verhalten zu reflektieren und Ideen zu finden, was ich verändern kann. Während meiner Rückfälle konnte ich mit dem Berater chatten und diese positiv nutzen. Vor allem konnte ich mir selbst verzeihen.“

Gespräche mit nahestehenden Menschen

Neben der Nutzung von Quit the Shit half es vielen der ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, mit Freundinnen und Freunden oder Angehörigen zu sprechen. Sie berichten, dass sie es als entlastend empfunden haben, nahestehenden Menschen von ihrem Vorhaben zu erzählen. „Es war eine der besten Entscheidungen auf dem Weg meines Entzugs, Menschen einzuweihen, die mir nahestehen“, meint Tim.

Der kiffende Freundeskreis kann jedoch auch ein Risiko darstellen. Eine Studie belegt: Wer häufig Kontakt hat zu anderen Kiffern, hat ein 6-fach höheres Risiko für einen Rückfall, als Aussteiger, die den Kontakt zu Konsumierenden meiden. Den kiffenden Freundinnen und Freunden zumindest in der Anfangsphase aus dem Wege zu gehen und sich eher mit nicht-konsumierenden Personen zu treffen, kann somit sinnvoll sein.

Wenn dies keine Option ist, so kann es dennoch helfen, den kiffenden Freundeskreis einzuweihen. Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Quit the Shit haben die Erfahrung gemacht, dass der konsumierende Freundeskreis durchaus Verständnis zeigt, wie dieser Teilnehmer berichtet: „Die meiden das Gekiffe sogar in meiner Gegenwart, man ist also nicht alleine, wenn man aufhören will und erfährt sogar Unterstützung von Leuten, von denen man dies anfangs nicht erwarten würde.“

Viele der ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Quit the Shit empfanden es auch als hilfreich, ihren Alltag bewusst umzustrukturieren und sich vielseitig zu beschäftigen, um auf andere Gedanken zu kommen. Sport steht bei vielen Usern ganz oben auf der Liste der alternativen Aktivitäten. Andere suchen sich bewusst neue Hobbys oder greifen alte wieder auf. Und für den akuten Suchtdruck empfehlen manche User auch so scheinbar simple Dinge wie Malbücher oder Puzzle, um sich im Falle des Falles beschäftigen zu können.

Fazit

Die meisten Cannabiskonsumierenden belassen es beim gelegentlichen Kiffen im Freundeskreis. Ein Teil von ihnen konsumiert aber immer häufiger auch alleine. Gerne wird das Kiffen dann dazu benutzt, Unangenehmes angenehmer zu gestalten. Dies geht soweit, bis sich Konsumierende ihren Alltag ohne Cannabis kaum noch vorstellen können, was entsprechende Folgeprobleme nach sich zieht. Soziale Kontakte reißen ab, der Job oder das Studium geraten in Gefahr, von Geldsorgen ganz zu schweigen.

Im Rahmen von Erfahrungsberichten beschreiben ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Beratungsprogramms Quit the Shit wie der Konsum überhandgenommen hat und sie den Wunsch entwickelten, das eigene Leben wieder in den Griff zu kriegen. Viele berichten, dass ihnen die Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsum und die persönliche Betreuung durch das Beratungsteam sehr geholfen habe. Darüber hinaus halfen ihnen Gespräche mit nahestehende Menschen und ein aktiver Alltag, um aufkommende Gedanken an das Kiffen gar nicht erst wieder zuzulassen.

Quit the Shit ist ein kostenloses und anonym nutzbares Beratungsprogramm der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Mehr dazu hier.

 

*Alle Namen der zitierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Quit the Shit wurden geändert.


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