Home > News > Aktuelle Meldungen > Alkoholindustrie profitiert vom schädlichen Alkoholkonsum
19.11.2025
Eine Studie aus Deutschland zeigt auf: Die Alkoholindustrie macht rund die Hälfte ihres Umsatzes mit Menschen, die riskant oder hochriskant Alkohol trinken.

Bild: KatarzynaBialasiewicz / iStock.com
„Das Geschäft mit dem Leid“ lautet der Titel der Studie. Mit deutlichen Worten kritisiert ein Forschungsteam des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf und der Ludwig-Maximilians-Universität München die Alkoholindustrie. Diese profitiere vor allem von Menschen, deren Alkoholkonsum als riskant oder hochriskant bezeichnet wird und die deshalb mit akuten und chronischen Folgeerkrankungen rechnen müssen. Jedes Jahr sterben rund 17.000 Menschen an den direkten Folgen ihres Alkoholkonsums.
Ausgangspunkt der Studie sind die selbstgesteckten Ansprüche der Alkoholindustrie. Diese inszeniere sich als Präventionspartner der Politik, erklären die Forschenden, weil sie vorgibt, sich für einen „verantwortungsvollen Konsum“ alkoholischer Getränke einzusetzen. Auf internationaler Ebene haben sich Verbände und Unternehmen der Alkoholindustrie zur International Alliance for Responsible Drinking (IARD) zusammengeschlossen.
In einem Video der Allianz erklärt ihr Vorsitzender: „Wir sind stolz auf die von uns hergestellten Getränke und möchten sicherstellen, dass sie verantwortungsbewusst konsumiert werden […]. Schädlicher Alkoholkonsum liegt nicht in unserem Interesse; er ist schlecht für die Verbraucher, […] und letztendlich auch schlecht für unser Geschäft.“
Doch die nackten Zahlen sprechen eine andere Sprache. Das Forschungsteam hat mehrere Datensätze zusammengeführt. Diese enthalten Angaben aus repräsentativen Befragungen zum Alkoholkonsum, Daten zum Einkommen der Bevölkerung und ihren Ausgaben für Konsumgüter sowie zu den Umsätzen der Alkoholindustrie. Die Forschenden sind der Frage nachgegangen, welche Umsätze auf unterschiedliche Trinkgruppen entfallen.
Den Ergebnissen zufolge leben 13 Prozent der Erwachsenen abstinent. Eine Mehrheit von 72 Prozent der Deutschen liegt im niedrig-riskanten Konsumbereich. 13 Prozent der erwachsenen Bevölkerung trinken jedoch riskant und 2 Prozent sogar hochriskant.
Als riskanten Konsum bezeichnen die Forschenden 12 bis 40 Gramm Alkohol pro Tag für Frauen und 24 bis 60 Gramm Alkohol für Männer. Zur Einordnung: Ein Standardglas Alkohol enthält etwa 10 bis 12 Gramm Alkohol. Als hochriskant gilt der Alkoholkonsum, wenn Frauen mehr als 40 Gramm und Männer mehr als 60 Gramm Alkohol pro Tag trinken.
Die Minderheit der riskant oder hochriskant trinkenden Bevölkerung erzeugt den Berechnungen zufolge 50 Prozent des Umsatzes mit alkoholischen Getränken in Deutschland. Das ergibt rund 5,7 Milliarden Euro pro Jahr. Allein die kleine Gruppe der hochriskant trinkenden Deutschen stellen gerade einmal 2 Prozent der Bevölkerung, konsumieren aber 17 Prozent des gesamten Alkohols und spülen der Alkoholindustrie damit 1,6 Milliarden Euro in die Kassen.
Das Forschungsteam bezeichnet ihre eigenen Ergebnisse noch als konservativ. Das bedeutet, die „wahren“ Trinkmengen sind vermutlich noch höher, weil vieltrinkende Menschen ihren Konsum in Umfragen vermutlich eher unter- als überschätzen oder gar nicht erst an der Befragung teilnehmen.
Ähnliche Ergebnisse liegen auch aus anderen Ländern vor. In Australien und Neuseeland wird das Rauschtrinken je nach Definition für 50 bis 65 Prozent der verkauften Alkoholmenge im Land verantwortlich gemacht. Für Thailand wird geschätzt, dass sogar 76 Prozent des Alkoholumsatzes auf gesundheitsschädliche Trinkmuster entfällt.
Angesichts ihrer Ergebnisse stellen die Forschenden infrage, wie ernst es die Alkoholindustrie wirklich meint, wenn sie sicherstellen wolle, dass die Menschen „verantwortungsvoll“ ihre Produkte konsumieren. Denn die Alkoholwirtschaft habe offenkundig ein Interessenkonflikt, wenn sie vorgibt, den moderaten Alkoholkonsum fördern zu wollen, ihr Geschäftsmodell aber gleichzeitig darauf abzielt, möglichst viel Alkohol zu verkaufen.
Insbesondere Personen mit hochriskantem Alkoholkonsum erleiden schwerwiegende gesundheitliche Folgen, die sich auch auf die Gesamtwirtschaft auswirken. Geschätzt wird, dass sich der volkswirtschaftliche Schaden durch übermäßigen Alkoholkonsum jährlich auf 57 Milliarden Euro beläuft.
Wer seinen eigenen Alkoholkonsum testen will, kann dies mit dem Selbsttest Check your Drinking tun. Persönliche Beratung zu allen Fragen rund um Sucht und Drogen gibt es in der Chat-Beratung oder in der E-Mail-Beratung. Beide Beratungsangebote sind kostenlos und anonym nutzbar.
Quelle:
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