Hirnveränderungen bei langjährigem Cannabiskonsum

06.06.2008

Langjähriger starker Cannabiskonsum führt möglicherweise zu Hirnveränderungen in Regionen, die mit dem Lernen und der Verarbeitung von Emotionen wie Angst und Aggression in Zusammenhang stehen. Dies sind Ergebnisse einer Studie, die kürzlich im Fachjournal Archives of General Psychiatry veröffentlicht wurden.

Die Auswirkungen von Cannabiskonsum auf das Gehirn sind Gegenstand zahlreicher Studien. Eine bedeutende Meta-Analyse kam beispielsweise zu dem Schluss, dass auch langjähriger Cannabiskonsum so gut wie keine dauerhaften Auswirkungen auf neurokognitive Funktionen des Gehirns habe, also auf Hirnleistungen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit oder Lernen und Erinnern (Meldung vom 04.07.2003). Nur einen äußerst kleinen Effekt beim Lernen neuer Informationen habe man finden können, sagte Igor Grant, Leiter der damaligen Studie.

Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung mit Langzeitkonsumenten liefert neue Erkenntnisse, was tatsächlich durch dauerhaftes Kiffen im Gehirn passieren kann. Ein australisches Forschungsteam um Studienleiter Murat Yücel hat 15 männliche Cannabiskonsumenten und 16 abstinente Kontrollpersonen mit einem hochauflösenden Magnetresonanztomografen untersucht. Die Magnetresonanztomografie kann kleinste Strukturen des Gehirns sichtbar machen.

Die Cannabiskonsumenten wurden nach Angaben des Autorenteams sorgfältig ausgesucht. Die Männer kifften seit mindestens 10 Jahren mehr als 5 Joints pro Tag. Im Schnitt konsumierten die Probanden seit 20 Jahren. Zudem hatte keiner der Untersuchten weder andere illegale Drogen konsumiert noch wiesen sie neurologische oder psychiatrische Erkrankungen auf. Die 16 gleichaltrigen Männer der Kontrollgruppe waren mit den Cannabiskonsumenten in diesen Aspekten sowie beim Alkoholkonsum vergleichbar.

Allerdings rauchten die Cannabiskonsumenten mehr Zigaretten. Zudem waren psychotische Symptome bei den langjährigen Kiffern stärker ausgeprägt als bei der Kontrollgruppe. Zu den Symptomen zählen zum Beispiel Anzeichen von Wahn und Halluzinationen sowie Antriebslosigkeit und Interessenverlust. Die Werte waren aber noch unterhalb der Grenze, ab der eine manifeste Psychose diagnostiziert wird.

In der eigentlichen Untersuchung konnte in zwei Hirnregionen ein geringeres Volumen festgestellt werden. Der Hippocampus war bei dem Cannabiskonsumenten um 12 Prozent kleiner als bei den abstinenten Männern. Dieser Bereich ist vor allem für das Lernen und Abspeichern neuer Informationen zuständig. Der zweite Bereich - die Amygdala - war um rund 7 Prozent kleiner als bei der Kontrollgruppe. In der Amygdala werden vor allem Emotionen wie Angst und Aggression gesteuert.

„Diese Befunde widersprechen der weitverbreiteten Ansicht, dass Cannabis nur geringe oder keine neuroanatomische Konsequenzen nach sich ziehe“, schlussfolgern die Autorinnen und Autoren. „Auch wenn moderater Konsum möglicherweise nicht zu bedeutsamen neurotoxischen Effekten führt, legen diese Ergebnisse den Schluss nahe, dass starker täglicher Konsum durchaus toxisch sein kann für das Hirngewebe.“

Quellen:
Deutsches Ärzteblatt
Pressemitteilung JAMA
Yücel, M. Solowij, N., Respondek, C. et al. (2008). Regional Brain Abnormalities Associated With Long-term Heavy Cannabis Use. Archives of General Psychiatry, 65, 694-701. Abstract


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