Wie „Aufschieberitis“ mit übermäßiger Internetnutzung zusammenhängt

03.06.2020

Schülerinnen und Schüler, die eine ausgeprägte Neigung haben, wichtige Aufgaben vor sich her zu schieben, sind laut einer aktuellen Studie besonders gefährdet für eine Internetsucht.

Bild: AntonioGuillem / istockphoto.com

Schule kann anstrengend sein. Das ist klar. Wenn es um Hausaufgaben geht oder um das Lernen für die nächste Klassenarbeit, bedarf es meist einer gewissen Überwindung. Dies gilt in Zeiten von „Home Schooling“ aufgrund der Corona-Krise vermutlich in besonderem Maße. Und doch gehen Schülerinnen und Schüler unterschiedlich damit um. Manche neigen besonders zur „Aufschieberitis“. Diese scheint einer aktuellen Studie zufolge auch mit einer problematischen Nutzung des Internets bis hin zur Internetsucht in Zusammenhang zu stehen.

Für seine Studie hat ein Team der Universität Heidelberg und des Kriminologischen Instituts Niedersachsen 418 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen 11 und 21 Jahren befragt. Die Teilnehmenden wurden bereits im Vorfeld als Risikogruppe eingestuft. Das bedeutet: Sie zeigten Symptome, die auf eine problematische Internetnutzung hindeuten.

Prokrastination als zentraler Faktor

Das Forschungsteam unter der Leitung von Katajun Lindenberg hat untersucht, welche persönlichen und schulbezogenen Risikofaktoren mit der exzessiven Internetnutzung in Zusammenhang stehen. Den Ergebnissen zufolge gibt es einen zentralen Faktor, der das Lernverhalten beeinträchtigt. Das Fachwort lautet Prokrastination, im Volksmund auch als „Aufschieberitis“ bekannt. Schülerinnen und Schüler, die von sich sagen, dass sie häufig wichtige Aufgaben vor sich herschieben, sind demnach besonders gefährdet, eine Internetsucht zu entwickeln. Wie kommt der Zusammenhang zustande?

Lindenberg und ihr Team erklären, dass schulische Aufgaben in der Regel als unangenehm empfunden werden. Sie könnten sogar Versagensängste auslösen. Videospiele, die Beschäftigung mit Social Media oder andere bevorzugte Online-Aktivitäten würden hingegen sofort positive Gefühle vermitteln. Da das Smartphone bei vielen Schülerinnen und Schülern meist in Griffweite ist, kann die Versuchung groß sein, sich lieber mit angenehmen Dingen anstatt mit lästigen Schulsachen zu beschäftigen.

Dazu passt auch ein weiteres Ergebnis der Studie: Das Risiko für eine Internetsucht nimmt zu, je mehr Zeit die Schülerinnen und Schüler im Internet oder mit Videospielen verbringen. Generell sei eine lange Onlinezeit zwar nicht hinreichend, um von einer Internetsucht sprechen zu können, aber je länger Betroffene sich ablenken, desto schwerer falle es ihnen, sich wieder den wichtigen Dingen zuzuwenden.

Soziale Probleme in der Schule ebenfalls Risikofaktor für Internetsucht

Die Internetsucht stehe den Ergebnissen zufolge auch mit sozialen Problemen in der Schule in Zusammenhang. Schülerinnen und Schüler, die sich nicht gut unter Gleichaltrigen integriert fühlen oder die sogar Erfahrung mit Mobbing haben, seien besonders gefährdet für eine Internetsucht. Sie könnten Videospiele oder Online-Communitys dazu benutzen, um ihre Probleme zu vergessen.

Einschränkend erwähnt das Forschungsteam, dass unklar ist, ob Prokrastination und soziale Probleme eher Ursache oder Folge einer exzessiven Internetnutzung sind. Denkbar ist auch, dass sich beides gegenseitig verstärkt. In jedem Falle sei es für Schülerinnen und Schüler wichtig, frühzeitig zu lernen, mit Schulstress umzugehen und sich auch für langfristige Ziele zu motivieren. Aus Sicht der Prävention müsse vor allem ein Augenmerkt darauf gelegt werden, positive soziale Interaktionen zwischen den Schülerinnen und Schülern zu fördern.

 

Quelle:

Kindt, S., Szász-Janocha, C., Rehbein, F. & Lindenberg, K. (2020). School-Related Risk Factors of Internet Use Disorders. Int. J. Environ. Res. Public Health, 16, 4938.


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