Zuviel getrunken? Das Glas ist schuld!

19.10.2012

In einer kurios anmutenden Studie hat ein Forschungsteam der Universität in Bristol untersucht, welchen Einfluss die Form des Trinkgefäßes auf den Alkoholkonsum hat.

Vier unterschiedlich geformte Biergläser mit Bier gefüllt

Bild: FikMik / istockphoto.com

Fast ist man geneigt, die Studie als einen Scherz unter Fachleuten abzutun, aber das Wissenschaftsmagazin PLoS One gilt gemeinhin nicht als Satireblatt. Was ist passiert? Studienleiterin Angela Attwood und ihr Team haben in einem Experiment untersucht, ob die Form des Glases die Trinkgeschwindigkeit und damit die Wahrscheinlichkeit für Rauschtrinken erhöht. Und siehe da: Geschwungene Gläser mit großer Öffnung und sich nach unten verjüngendem Hals verleiten zum schnelleren Trinken als gerade Gläser.

Um dies herauszufinden hat das britische Forschungsteam ein aufwendiges zweistufiges Experiment mit 159 Personen durchgeführt. Diese wurden in mehrere Gruppen aufgeteilt, in denen die Versuchsbedingungen systematisch variiert wurden. Mal war das Glas voll, mal halbvoll. Eine Gruppe bekam Bier und eine andere ein nicht-alkoholisches Erfrischungsgetränk.

In einem ersten Test schauten die Versuchspersonen eine Naturdokumentation und bekamen, ohne dass ihnen der Hintergrund erläutert wurde, ein Getränk hingestellt. Ihr Trinkverhalten wurde dabei auf Video aufgezeichnet. Im zweiten Test mussten die Versuchspersonen schätzen, auf welcher Höhe ein Glas nur noch exakt halb voll ist. Hierzu wurden ihnen Fotos von geraden und geschwungenen Gläsern gezeigt.

60 Prozent langsamere Trinkgeschwindigkeit

Die Ergebnisse der Tests offenbarten, dass die Versuchspersonen - Männer wie Frauen - ihr Bier aus geraden Gläsern 60 Prozent langsamer tranken als aus geschwungenen Gläsern. War das Glas hingegen nur halb voll oder wurde es mit einem nicht-alkoholischen Getränk gefüllt, gab es keinen Unterschied in der Trinkgeschwindigkeit zwischen den Glassorten. Wie kann das sein?

Attwood und ihr Team vermuten, dass die meisten Menschen beim Alkoholtrinken sehr wohl auf die Trinkgeschwindigkeit achten würden. Allerdings würden sie sich intuitiv am Füllstand des Glases orientieren, was bei geschwungenen Gläsern zu Fehleinschätzungen führt, da der Füllstand nicht identisch ist mit der Füllmenge. Ist das Glas vermeintlich erst halb leer, weil der Füllstand in der Mitte des Glases ist, hat man in Wirklichkeit schon mehr als die Hälfte getrunken.

Diese Vermutung wird durch den zweiten Teil des Experiments unterstützt. Die Versuchspersonen hatten sich systematisch verschätzt, wenn sie den Füllstand für die halbe Trinkmenge angeben sollten. Bei nicht-alkoholischen Getränken hingegen würden sich die Personen nicht von der Gefäßform beeinflussen lassen, weil keine übermäßig negativen Folgen von schnellem Trinken zu erwarten sind. Ebenso spiele die Form des Glases keine große Rolle mehr, wenn es nur halbvoll ist, da das Glas ab etwa halber Höhe nicht mehr so stark geschwungen ist.

Füllstandsanzeige auf Gläsern

Der Hintergrund für dieses kuriose Experiment ist allerdings ein ernster. Denn das Rauschtrinken ist weitverbreitet und mit einer Vielzahl gesundheitlicher Probleme verbunden. Zwar gäbe es genügend wirksame präventive Maßnahmen wie Steuererhöhungen oder Verringerung der Verfügbarkeit durch Verkaufsverbote zu bestimmten Zeiten, Orten oder die Reduzierung der Verkaufsstellen, schreibt das Autorenteam. Die meisten Regierungen würden aber auf solche Maßnahmen verzichten, weil sie sehr unbeliebt seien in der Bevölkerung. Eingriffe in die Gestaltung der Trinkgefäße beispielsweise durch Markierungen des korrekten Füllstands würden sich aber leichter „verkaufen“ lassen. „Wir können den Menschen nicht verbieten, Alkohol zu trinken, aber wir können ihnen ein bisschen mehr Kontrolle über die Trinkmenge geben“, sagt Attwood.

Wer also bei sich persönlich vorbeugen will, sollte in Zukunft ausschließlich aus geraden Gläsern trinken - oder das Glas nur noch halb voll machen.

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