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Auswirkungen der Corona-Krise auf den Drogenmarkt

August 2020

Die Corona-Pandemie hat vieles verändert. Auch der Drogenhandel ist laut eines Berichts der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht davon betroffen.

Mann mit Kapuzenpulli vor Bildschirmen

Bild: cyano66 / istockphoto.com

Die Grenzen waren erst einmal dicht. Der Flugverkehr ist zum Erliegen gekommen. Straßen waren wie leergefegt. Um die Ausbreitung des Corona-Virus zu bremsen, wurde das gesellschaftliche Leben in Europa und vielen anderen Ländern deutlich heruntergefahren. Für den Drogendeal auf der Straße keine guten Bedingungen. Doch der Handel mit illegalen Drogen ging weiter, wie ein Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, EMCDDA, nahelegt.

Kokainschmuggel fast ungebremst auf hohem Niveau

Zwar war das Reisen für Personen stark eingeschränkt und der Einsatz von Kurieren für den Drogenschmuggel somit kaum möglich, der internationale Warenverkehr wurde jedoch während des Lockdowns aufrechterhalten. Diese Situation hat sich vermutlich auch der Drogenhandel zu Nutze gemacht. Beschlagnahmungen legen den Schluss nahe, dass vor allem der Seeweg ungebremst weiter genutzt wurde, um Kokain in die Europäische Union einzuführen. Beispielsweise seien Kokainfunde im Hafen der niederländischen Stadt Rotterdam auf ähnlich hohem Niveau gewesen wie im Vorjahr. In manchen EU-Ländern hätten Beschlagnahmungen sogar zugenommen.

In der Hoffnung, Grenzkontrollen leichter zu überwinden, haben Kriminelle auch den Corona-bedingt gestiegenen Bedarf an Hygiene-Artikeln ausgenutzt. So wurden in einem Fall 14 Kilogramm Kokain entdeckt, als ein Lieferwagen in das Vereinigte Königreich einreisen wollte. Das Kokain versteckte sich zwischen fein säuberlich verpackten Gesichtsmasken.

Kriminelle Organisationen „leider sehr flexibel“

Nach Einschätzung der EMCDDA habe die Corona-Krise zumindest die Lieferketten zu den Endkunden teilweise unterbrochen. Der Lockdown und das „Social Distancing“, dem Gebot zum Abstandhalten, werden als Hauptgründe genannt. Kriminelle Organisationen seien aber „leider sehr flexibel“, sagt Catherine De Boll, Direktorin von Europol, in einem Interview gegenüber der F.A.Z. Die Kriminellen würden nach dem Geschäftsmodel „Verbrechen als Service“ agieren und neue Wege gehen, um ihr Netzwerk weiter zu entwickeln.

Ein Beispiel für neue Formen des Drogendeals sei nach Angaben der EMCDDA die Nutzung so genannter „Dead Drops“. Das sind „tote Briefkästen“, also geheime Verstecke, an denen die Drogen vom Dealer deponiert und von den Kundinnen und Kunden abgeholt werden. Der Kauf werde zuvor über verschlüsselte Messengerdienste wie Telegram, Wickr oder Signal abgewickelt und mit Cryptowährungen bezahlt. Nach Einschätzung von Experten habe diese Form des Drogenkaufs, der bislang vor allem in Russland von Bedeutung sei, auch in EU-Ländern zugenommen.

Zunahme von Käufen im Darknet

„Dead Drops“ spielen vermutlich auch beim Handel im Darknet eine Rolle. Eine Analyse der EMCDDA weist darauf hin, dass sich von Januar bis März dieses Jahres bedeutsame Veränderungen beim Drogenhandel auf den verborgenen Seiten des Internets ergeben hätten. Zwar sei der Gesamtumsatz in den ersten drei Monaten etwas rückläufig gewesen, gleichzeitig sei die Anzahl an Kaufvorgängen in diesem Zeitraum jedoch gestiegen. Wie es das zu verstehen?

Laut EMCDDA sei die Zunahme bei Transaktionen überwiegend auf den Verkauf von Cannabis über die Plattform „Cannazon“ zurückzuführen. Auf der einen Seite sei der Gesamtwert aller Transaktionen auf dieser Plattform zwar um 20 Prozent gesunken, was auf einen Rückgang großer Bestellungen ab 100 Gramm Cannabis zurückzuführen sei. Auf der anderen Seite sei aber die Anzahl der Kaufvorgänge gestiegen. So hätten die Käufe bis zu einer Menge von 28 Gramm zugenommen.

Mehr Cannabiskäufe für den Eigenbedarf im Darknet

Daraus könne die Schlussfolgerung gezogen werden, dass in der Anfangsphase der Corona-Krise weniger Cannabis für den Wiederverkauf erworben wurde, möglicherweise aus Sorge, die Droge wegen der Ausgeh- und Kontaktbeschränkungen nicht mehr loszuwerden. Im Gegenzug hätten vermutlich mehr Personen Cannabis für den Eigenbedarf im Darknet gekauft. So haben Analysen des Suchverhaltens im Internet ergeben, dass häufiger Suchbegriffe wie „Cannabis kaufen“ oder „Cannabis Hauslieferung“ eingegeben wurden.

Die illegale Ware werde dann in der Regel über traditionelle Wege, also per Post versandt. Manche Verkäufer würden auch „Dead Drops“ anbieten, was aber eine physische Nähe zwischen Kaufenden und Verkaufenden voraussetzt. Deutschland und das Vereinigte Königreich würden beim Verkauf von Cannabis und anderen illegalen Drogen über das Darknet dominieren.

Einbruch der Nachfrage bei synthetischen Drogen

Während beim Handel mit Cannabis teilweise eine Zunahme während der Corona-Krise zu verzeichnen war, sei die Nachfrage nach synthetischen Drogen stark eingebrochen. Abwasseranalysen in den Niederlanden und in Spanien haben beispielsweise ergeben, dass im Vergleich zum Vorjahr nur noch etwa halb so viel MDMA, dem Wirkstoff von Ecstasy, im Abwasser nachgewiesen werden konnte. Die EMCDDA vermutet, dass angesichts der Schließung aller Clubs und der Absage aller Festivals kaum jemand stimulierende Substanzen zum Feiern benötigt.

Auf der Seite der Drogenproduzenten hätten sich ebenfalls Veränderungen abgezeichnet. Viele Grundsubstanzen, die für die Herstellung von synthetischen Drogen benötigt werden, kämen aus China. Im Zuge der Corona-Krise sei es jedoch zu Lieferschwierigkeiten der Vorläufersubstanzen gekommen. Um die Produktion von synthetischen Drogen dennoch aufrechtzuerhalten, hätten manche Produzenten alternative Substanzen verwendet. Beispielsweise wurde aus Tschechien berichtet, dass der Mangel an Vorläufersubstanzen für Crystal Meth zu einer Abnahme der Qualität der Droge geführt habe. Die EMCDDA warnt daher, dass sich neue Risiken durch unbekannte Inhaltsstoffe ergeben könnten.

Fazit

In den Anfängen der Corona-Krise wurde das gesellschaftliche Leben stark heruntergefahren. Kriminelle Organisationen scheinen jedoch neue Wege gefunden zu haben, illegale Drogen an den Mann oder an die Frau zu bringen. Als ein Beispiel werden so genannte „Dead Drops“ genannt. Auch habe es eine Zunahme bei den Transaktionen im Darknet gegeben. Insbesondere habe die Anzahl an Käufen von Cannabis über das Darknet zugenommen.

Hingegen sei die Nachfrage nach synthetischen Drogen eingebrochen, da das Partyfeiern im Corona-Lockdown kaum möglich war. Die Produktion sei insofern betroffen gewesen, als die Lieferketten für Vorläufersubstanzen von synthetischen Drogen teils unterbrochen waren. Die Folge sei mitunter eine verminderte Qualität der Drogen.

 

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