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Schwere Herzschäden durch Crystal Meth

November 2017

Crystal Meth schädigt nicht nur das Gehirn. Bei längerem Konsum können sich auch schwerwiegende Herzprobleme und Gefäßschäden einstellen. Nicht immer verbessert sich die Situation Betroffener bei Abstinenz.

Hand hält Anatomieherz vor schwarzem Hintergrund

Bild: dioxin / photocase.de

Ob zum Partyfeiern, bei der Arbeit oder einfach nur, um den Alltag auf die Reihe zu kriegen: Crystal wird von Konsumierenden zu den unterschiedlichsten Zwecken eingenommen. Denn Crystal kann den Körper zu Höchstleistungen antreiben, indem es ihn zwingt, seine Energiereserven auszubeuten.

Die aufputschende Wirkung erfolgt vor allem durch die verstärkte Ausschüttung stimulierend wirkender körpereigener Substanzen wie Dopamin und Noradrenalin. Konsumierende fühlen sich schlagartig wach und leistungsfähiger. Die Stimmung steigt und Ängste oder Zweifel scheinen wie weggefegt. Konsumierende haben das Gefühl, ohne Ende feiern oder arbeiten zu können.

Wirkung von außen nicht immer erkennbar

Anders als bei dämpfenden Drogen wie Cannabis oder Alkohol ist die Wirkung von außen nicht immer zu erkennen. So auch bei der leitenden Angestellten Nadine. In dem Buch „Crystal Meth“ haben drei Journalisten Menschen wie Nadine portraitiert, die Crystal aus unterschiedlichen Motiven konsumieren.

Die 28-Jährige Nadine wird als wahres Energiebündel beschrieben. Kunden würden sie wegen ihrer Kontaktfreudigkeit schätzen, der Witze leicht über die Lippe gehen. Wenn sie berauscht zur Arbeit ging, sei das keinem aufgefallen. „Ich bin ständig gelobt worden“, berichtet sie. Sie habe oft ohne Pause und bis in die Abendstunden gearbeitet. Konzentrationsprobleme kannte sie nicht. „Crystal-User“, sagt Nadine, „können ihre bürgerliche Fassade jahrelang aufrechterhalten.“

Was Crystal-Konsumierende wie Nadine jedoch gerne ausblenden: Hinter der Fassade lauern nicht nur Stimmungstiefs, wenn der Nachschub ausbleibt, sie betreiben auch Raubbau an ihrem Körper. Vor allem ihr Herz-Kreislaufsystem wird stark belastet. Crystal und andere Amphetamine erhöhen kurzfristig Herzschlag und Blutdruck. Auf langer Sicht können allerdings die Gefäße durch Amphetaminkonsum versteifen. Die Gefäßversteifung ist ein Prozess, der normalerweise erst im fortgeschrittenen Alter einsetzt. Die Folge ist, dass der ganze Organismus vorzeitig altert.

Analyse von Todesfällen

Mitunter kann der Konsum von Crystal auch tödlich sein. Ein Forschungsteam aus Australien hat rund 900 Todesfälle untersucht, die mit Methamphetamin in Zusammenhang gebracht wurden. Studienleiter Shane Darke und sein Team haben dazu die Autopsie-Berichte gesichtet, die nach dem Tod der Betroffenen erstellt wurden.

Den Berichten zufolge wiesen die verstorbenen Crystal-Konsumierenden teils schwere Herz- und Gefäßschäden auf. So hatte ein Viertel der Betroffenen ein abnormal vergrößertes Herz und jeder fünfte litt unter einer Herzfibrose. Bei einer Fibrose handelt es sich um eine krankhafte Veränderung des Bindegewebes, das sich verhärtet und die Organfunktion einschränkt. Die Veränderung gilt als nicht mehr umkehrbar. Die Folge dieser Organveränderungen können Herzrhythmusstörungen und plötzlicher Herztod sein.

Es muss somit davon ausgegangen werden, dass Crystal-Konsumierende ein erhöhtes Risiko für Herzschäden haben. Doch welche Heilungschancen haben Betroffene, wenn sie ihren Konsum einstellen? Um diese Frage zu klären, hat ein Forschungsteam aus Leipzig und Tübingen die Genesung von 30 Crystal-Konsumierenden verfolgt. Die Teilnehmenden konsumierten im Schnitt seit 5 Jahren.

Luftnot und Brustschmerzen

Alle litten unter einer stark reduzierten Pumpleistung des Herzens. Vier von zehn Konsumierenden wiesen Herzklappenstörungen auf. Die Folge davon ist, dass ein Teil des Bluts nach dem Auswurf aus dem Herz wieder zurückfließt. Die häufigsten Symptome der Betroffenen waren starke Luftnot und Angina Pectoris. Luftnot ist eine direkte Folge der reduzierten Pumpleistung des Herzens, weil weniger Sauerstoff im Körper zirkuliert. Bei Angina pectoris handelt es sich um anfallsartig auftretende Brustschmerzen, die aufgrund von Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße ausgelöst werden.

Alle Patientinnen und Patienten wurden medizinisch behandelt. Etwa ein Jahr nach der Behandlung wurden Nachuntersuchungen bei den Beteiligten durchgeführt. 23 hatte ihren Konsum eingestellt, 7 konsumierten weiter. Der Vergleich beider Gruppen machte deutlich: Bei den Aussteigern verbesserte sich die Herzleistung. Personen, die weiter konsumierten, zeigten keinerlei Verbesserung.

Veränderung des Bindegewebes

Das Ausmaß der Genesung war jedoch abhängig davon, wie stark der Herzmuskel bereits geschädigt war. Denn bei vielen Konsumierenden wurde eine Herzfibrose festgestellt. Je fortgeschrittener die Herzfibrose bei den Crystal-Konsumierenden war, desto weniger wahrscheinlich war eine Verbesserung der Symptomatik. Die Fibrose stand wiederum in engem Zusammenhang mit der Dauer und Intensität des Konsums. Das bedeutet: Je früher eine Person mit dem Konsum aufhört, desto höher stehen die Chancen auf Verbesserung der Herzleistung.

Fazit

Crystal treibt den Körper zu mehr Leistung an. Das bedeutet aber auch erhöhten Stress für das Herz-Kreislaufsystem. Vor allem bei häufigem Konsum können die Gefäße vorzeitig altern und das Herz mitunter schwer geschädigt werden. Bei frühzeitigem Ausstieg kann sich das Herz zum Teil wieder erholen. Es muss allerdings davon ausgegangen werden, dass langjähriger Crystal-Konsum unwiderruflich eine verminderte Leistung des Herzens nach sich ziehen kann. Dadurch steigt das Risiko für Herzrhythmusstörungen und plötzlicher Herztod.


Quellen:

  • Baumgärtner, M., Born, M. & Pauly, B. (2015). Crystal Meth. Produzenten, Dealer, Ermittler. Berlin: Christoph Links Verlag.
  • Darke, S., Duflou, J. & Kaye, S. (2017). Prevalence and nature of cardiovascular disease in methamphetamine-related death: A national study. Drug and Alcohol Dependence, 179, 174-179.
  • Schürer, S., Klingel, K., Sandri, M., Majunke, N., Besler, C., Kandolf, R., Lurz, P., Luck, M., Hertel, P., Schuler, G., Linke, A. & Mangner, N. (2017). Clinical Characteristics, Histopathological Features, and Clinical Outcome of Methamphetamine-Associated Cardiomyopathy. JACC: Heart Failure, 5(6), 435-445.

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