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Warum ein LSD-Trip so lang anhält und wie belanglose Musik an Bedeutung gewinnt

April 2017

Ein paar Millionstel Gramm LSD reichen und die Welt ist eine andere, zumindest aus Sicht Konsumierender. Plötzlich werden scheinbar belanglose Dinge persönlich bedeutsam. Zwei Studien haben neue Erkenntnisse dazu vorgelegt, wie LSD im Gehirn wirkt.

Mann steht auf einer nur von einer Laterne beleuchteten Straße und lehnt sich mit ausgestreckten Armen nach hinten. Er ist halb durchsichtig und vor ihm sieht man Streifen wie von einer Bewegung

Bild: ig3l / photocase.com

Der abgebildete Rezeptor erinnert an ein Knäuel aus Luftschlangen oder an Geschenkband, das zu Kringeln verarbeitet wurde. Und mitten drin steckt ein LSD-Molekül. Ein Forschungsteam aus den USA hat Jahre daran gearbeitet, das Geheimnis der LSD-Bindung im Gehirn zu lüften.

Deckel hält LSD fest

Schon lange ist bekannt, dass LSD an den Serotonin-Rezeptoren im Gehirn andockt. Allerdings gab die lange Wirkungsdauer von LSD bislang Rätsel auf. Früheren Studien zufolge wird LSD innerhalb von vier Stunden aus dem Gehirn herausgespült. Die Wirkung der halluzinogenen Droge LSD kann aber bis zu einen ganzen Tag andauern. Wie passt das zusammen?

Zur Klärung dieser Frage haben Studienleiter Bryan Roth und sein Team ein spezielles Nachweisverfahren entwickelt. Hierbei wurde LSD im Moment der Bindung am Serotonin-Rezeptor kristallisiert. Damit war es ihnen gelungen, das LSD-Molekül auf atomarer Ebene gewissermaßen auf frischer Tat dabei zu erwischen, wie es an den Rezeptor bindet. Sichtbar wurde, wie der Rezeptor das LSD-Molekül förmlich umschlingt. Die Forscherinnen und Forscher sprechen von einem Deckel, der sich über das LSD-Molekül legt und es festhält. „Wir denken, dass der Deckel wahrscheinlich der Grund dafür ist, warum die Wirkung von LSD so lange anhalten kann“, erklärt Roth.

Dennoch hat auch ein LSD-Trip in der Regel ein Ende. Dafür gibt es nach Angaben des Forschungsteams zwei mögliche Szenarien: Da sich der Rezeptor normalerweise in ständiger Bewegung befindet, könnte das LSD-Molekül nach einer Weile doch noch freikommen. Oder das Gehirn entledigt sich des Moleküls, indem die Nervenzelle den Rezeptor einsaugt und diesen zwecks Recycling in seine Bestandteile auflöst. Das LSD wird dann gleich mit entsorgt.

„Extrem potente Droge“

Bevor Bryan Roth anfing LSD zu erforschen, hat er als Psychiater mit Patientinnen und Patienten gearbeitet, die an Schizophrenie erkrankt sind. In seiner Praxis als Psychiater habe er einige Patientinnen und Patienten erlebt, die ihren ersten schizophrenen Durchbruch nach dem Konsum von LSD hatten. „Sie wurden nie wieder dieselben Menschen“, erklärt Roth. Dies sei zwar selten, derartige Fälle kämen aber vor. LSD sei „eine extrem potente Droge“. Dies mache sie allerdings auch für die Wissenschaft so interessant.

„Wir befürworten nicht den Gebrauch von LSD; es ist potentiell sehr gefährlich“, sagt Roth. Durch das Wissen um die molekularen Eigenschaften der Wirkung von LSD würden sich allerdings mögliche Anwendungen in der Medizin ergeben.

Die Studie kann jedoch keine Aussagen darüber machen, ob sich die Wirkung von LSD tatsächlich ausschließlich am Serotonin-Rezeptor entfaltet und wie Konsumierende dies erleben. Hierzu wurde kürzlich eine Studie aus der Schweiz veröffentlicht. Katrin Preller und ihr Team haben untersucht, wie sich die subjektive Bedeutung, die Menschen anderen Dingen beimessen, unter der Wirkung von LSD verändert und welcher Rezeptor dabei eine Rolle spielt.

LSD und Musik für die Wissenschaft

22 Freiwillige haben an der Studie teilgenommen. Jede der teilnehmenden Personen hatte die Aufgabe, sechs Lieder mitzubringen, die von persönlich besonderer Bedeutung für sie sind. Ausgehend von den mitgebrachten Songs wählte das Forschungsteam weitere Songs aus, die zum Teil den Lieblingsliedern der Teilnehmenden ähnelten, zum Teil keinerlei Bedeutung für sie haben sollten.

Vor Beginn der eigentlichen Untersuchung hatten die Versuchspersonen die Aufgabe, die insgesamt 30 Songs dahingehend zu bewerten, ob sie sich durch die Lieder emotional berührten fühlten oder die Stücke sie eher kalt lassen. Anschließend erhielten die Teilnehmenden zufällig entweder LSD oder ein wirkstofffreies Placebo und hatten ein weiteres Mal die Aufgabe, die persönliche Bedeutsamkeit der Songs zu bewerten. Und siehe da: „Vorher als unbedeutend klassifizierte Musikstücke wurden unter LSD plötzlich zu persönlich bedeutenden Musikstücken“, erklärt Katrin Preller.

Chemische Blockade der LSD-Wirkung

Das Forschungsteam konnte zudem zeigen, dass die verstärkte Bedeutungszuschreibung auf chemischem Wege blockiert werden kann. Hierfür wurde eine Substanz namens Ketanserin verwendet. Ketanserin hat die Eigenschaft, den Serotonin-Rezeptor im Gehirn zu blockieren. Zur Überraschung des Forschungsteam blieb aber nicht nur die verstärkte Bedeutungswahrnehmung aus. Auch alle anderen typischen Effekte von LSD waren verschwunden. Damit konnte das Forschungsteam zeigen, dass die Wirkung von LSD vollständig durch den Serotonin-Rezeptor vermittelt wird.

„Dies war sehr überraschend, denn aus Studien mit Tieren ging hervor, dass LSD auch weitere Rezeptoren wie das Dopamin D2-System stimuliert“, sagt Preller. Bislang ging man davon aus, dass Dopamin-Rezeptoren für die durch LSD ausgelöste Euphorie verantwortlich sind. Ebenso ging man davon aus, dass verschiedene Rezeptorsysteme an der Entstehung des Bedeutungserlebens beteiligt sind. Die Ergebnisse der aktuellen Studie würden den Serotonin-Rezeptoren somit eine Schlüsselrolle für das subjektive Erleben unter LSD zuweisen.

Verstärkte Bedeutungszuschreibung bei psychiatrischen Erkrankungen

Hintergrund für die Studie ist die Tatsache, dass Personen mit psychiatrischen Erkrankungen oft mit überhöhten oder übertriebenen Bedeutungszuschreibungen auf bestimmte Erlebnisse oder Umweltreize reagieren. Bei Phobien reagieren Menschen beispielsweise übertrieben ängstlich auf Dinge, die andere Menschen völlig kalt lässt. Für Personen mit Abhängigkeitserkrankungen sind hingegen Drogenreize bedeutungsvoller als für nichtabhängige Personen. Welche Mechanismen im Gehirn der verstärkten Bedeutungszuschreibung zugrunde liegen, sei bisher nicht bekannt gewesen.

Die Studie von Preller sei daher als Grundlagenforschung zu verstehen, die noch keinen konkreten Anwendungszweck hat. Denkbar sei aber, dass sich durch das Verständnis davon, wie die Bedeutungswahrnehmung funktioniert, später Behandlungen für psychiatrische Erkrankungen ableiten lassen.

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