"Schöntrinken" für die Wissenschaft

22.08.2008

Der eine oder die andere kennt den Effekt vermutlich: Unter Alkoholeinfluss steigt die Stimmung, die Hemmungen fallen und bei der Beurteilung der Attraktivität des anderen Geschlechts kann das Ergebnis schon mal positiver ausfallen als im nüchternen Zustand. Der Volksmund nennt das „Schöntrinken“. Ein Wissenschaftsteam hat nun die bahnbrechende Entdeckung gemacht, dass bei heterosexuell veranlagten Menschen sogar Personen des eigenen Geschlechts als attraktiver wahrgenommen werden, wenn die Promille steigt.

Der so genannte Ig® Nobelpreis ist eine Art „Anti-Nobelpreis“, eine satirische Auszeichnung für besonders unnütze, unwichtige oder skurrile Forschungsarbeiten. Ein Forschungsteam aus Bristol dürfte ein heißer Anwärter auf den Preis sein, der jährlich von der Harvard University vergeben wird. Die britische Forschungsgruppe um Studenleiter Marcus Munafò hat ihre Probandinnen und Probanden Alkohol trinken lassen, um herauszufinden, ob sich die Beurteilung der Attraktivität anderer Menschen verändert.

Die Forschungsfrage als solche kann schon als fragwürdig bezeichnet werden. Was diese Studie aber als einen der Favoriten für die vermutlich nicht übermäßig beliebte Auszeichnung werden lässt ist die Tatsache, dass bereits 2003 ein Psychologenteam der Universität Glasgow eine Studie publiziert hat, in der sie die Alltagstheorie des Schöntrinkens bestätigt haben. Sie suchten damals Campus-Bars und Cafes auf und hielten Ausschau nach heterosexuellen Studentinnen und Studenten, die sich schon den einen oder anderen Drink hinter die Binden gekippt hatten. Die alkoholisierten Studentinnen und Studenten bewerten die Attraktivität von Personen, die ihnen auf Photos vorgelegt wurden, höher als nüchterne Studierende. Das Ergebnis hatte nur leider den kleinen forschungstheoretischen Schönheitsfehler, dass Studierende, die auf dem Universitätsgelände Alkohol trinken, womöglich grundsätzlich andere Eigenschaften aufweisen und die Attraktivität von Personen generell höher bewerten als Studierende, die sich auf dem Campus abstinent verhalten. Wer weiß.

Weil dieser Makel der Wissenschaft den Kolleginnen und Kollegen aus Bristol offenbar keine Ruhe gelassen hat, entwickelten sie ein experimentelles Design, mit dem ein für allemal Klarheit geschaffen werden sollte. 84 Männer und Frauen wurden zufällig entweder einer Alkohol- oder einer Placebogruppe zugewiesen. Der ersten Gruppe wurde ein leicht alkoholischer Drink mit Limettenaroma gereicht, das Placebo-Getränk enthielt kein Alkohol, hatte aber einen ähnlichen Geschmack. Die Alkoholmenge war sogar auf Geschlecht und Gewicht hin angepasst, so dass alle in etwa den gleichen Blutalkoholpegel erreichten, der für einen leichten Schwips ausreichen sollte.

Und siehe da: Das Ergebnis belegt die Befunde der Glasgower Studie aus 2003. Sowohl Männer als auch Frauen bewerteten andere Personen attraktiver, wenn sie Alkohol getrunken hatten. Anders als in der ersten Studie konnten in der experimentellen Untersuchung aber keine Unterschiede hinsichtlich des Geschlechts der zu bewertenden Personen festgestellt werden. Sowohl die Attraktivität einer Person des anderen als auch des gleichen Geschlechts wurde unter Alkoholeinfluss höher eingeschätzt als nüchtern. Allerdings hält der Effekt des Schöntrinkens nicht lange an. Spätestens nach 24 Stunden, nahm die gefühlte Attraktivität der anderen -  Männer wie Frauen - wieder ab.

Studienleiter Munafò fühlt sich durch seine Ergebnisse angespornt, noch mehr über den Einfluss von Alkohol auf die Einschätzung der Attraktivität herauszufinden. Er will nun testen, wie sich unterschiedliche Mengen Alkohol auf die Beurteilung anderer Personen auswirken. Na dann, Prost!

Quellen:
New Scientist
Parker, L. C., Penton-Voak, I. S., Attwood, A. S. & Munafo, M. R. (2008). Effects of acute alcohol consumption on ratings of attractiveness of facial stimuli: evidence of long-term encoding. Alcohol and Alcoholism, 43, 636-640. Abstract
Improbable Research


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