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Bekifft hinterm Steuer

April 2006

Cannabis beeinträchtigt die Fahrtauglichkeit

Wer glaubt, nach einem Joint noch Autofahren zu können, unterliegt derselben Fehleinschätzung, die auch alkoholisierte Autofahrerinnen und Autofahrer oft begehen. Denn Untersuchungen an Flugsimulatoren haben gezeigt, dass der Konsum von Cannabis unmittelbar zu Leistungseinbußen in der Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit und dem Reaktionsvermögen führt. Besonders in den ersten zwei Stunden nach dem Konsum sind die Fahr- und Flugtauglichkeit stark eingeschränkt. Auch nach Abklingen der bewusst wahrgenommenen Wirkungen ist nicht ausgeschlossen, dass es noch zu Beeinträchtigungen kommt.

Hohes Risiko eines tödlichen Unfalls

Bislang war jedoch nicht klar, in welchem Unfang dies tatsächlich zu Verkehrsunfällen führt. In einer französischen Studie wurde diese Frage anhand einer Stichprobe von 11.000 Fahrerinnen und Fahrern untersucht, die zwischen 2001 und 2003 in einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang verwickelt waren. Bei fast neun Prozent der Personen wurde mittels Blutuntersuchung festgestellt, dass sie vor dem Unfall gekifft hatten bzw. noch unter dem Einfluss von Cannabis standen. 94 Prozent der bekifften Unfallverursacher waren Männer und 61 Prozent unter 25 Jahren.

Die Untersuchung ergab, dass das Risiko, einen tödlichen Unfall zu verursachen, um durchschnittlich 78 Prozent steigt, wenn beim Fahrer oder bei der Fahrerin Cannabis nachgewiesen werden konnte. Dabei konnte eine dosisabhängige Wirkungsbeziehung festgestellt werden: Je mehr Cannabis im Blut nachweisbar war, desto wahrscheinlicher ist das Risiko, einen Unfall zu verursachen. Insgesamt gingen 2,5 Prozent aller Autounfälle mit tödlichem Ausgang auf das Konto von Cannabiskonsum.

Beim Nachweis von Cannabis ist der „Lappen“ in der Regel weg

Ab wie viel Cannabis im Blut muss nun von einer Beeinträchtigung und damit von einer Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden? Der Gesetzgeber sieht hierzu vor, dass grundsätzlich jeder noch so geringe Nachweis von Cannabis und anderen illegalen Drogen für eine Ordnungswidrigkeit ausreicht (§ 24a StVG Abs. 2), was zur Folge hat, dass der „Lappen“ in der Regel eingezogen wird. Das Problem: THC ist besonders bei regelmäßigem Konsum noch Tage bis Wochen nach dem letzten Konsum in Blut und Urin nachweisbar.

 

Nicht mehr jeder Nachweis von THC ausreichend

Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in einem Beschluss am 21. Dezember 2004 geurteilt, dass für die Begehung einer Ordnungswidrigkeit nicht mehr jeder Nachweis des Cannabis-Hauptwirkstoffs THC im Blut eines Verkehrsteilnehmers ausreiche. Es müsse eine THC-Konzentration festgestellt werden, „die es als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war“, so die Verfassungsrichter. Sie verwiesen auf einen Grenzwert von über 1,0 Nanogramm pro Milliliter Blut.

Der Beschluss wurde erst kürzlich im Januar 2006 von Expertinnen und Experten auf dem 44. Verkehrsgerichtstag begrüßt. Sie empfehlen, den Nachweis geringer Substanzkonzentration, bei denen keine Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit vorliegt, nicht mit Bußgeldern zu belegen. Allerdings weisen sie daraufhin: „Eine Strafbarkeit nach §§ 315c, 316 StGB und eine Überprüfung der Fahreignung bleiben hiervon unberührt.“ Eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU, besser bekannt als „Idiotentest“) ist somit nicht ganz ausgeschlossen.

Wie viel Cannabis ist nach einem Joint im Blut?

Wie viel THC sich nach einem Joint im Blut findet, hat der Toxikologe Manfred Möller von der Universität des Saarlandes in Zusammenarbeit mit der Universität Maastricht untersucht. 20 Testpersonen rauchten einen Joint und mussten anschließend am Computer ihre Reaktion und Motorik unter Beweis stellen. Nach Angaben des Onlinemagazins newsclick.de kommt Professur Möller zu dem Schluss: „Nach einem Joint hat ein Kiffer etwa 200 Nanogramm THC pro Milliliter Blut. Nach zwei Stunden sind es noch fünf bis zehn Nanogramm. Viele meinen, sie könnten jetzt längst wieder fahren. Wir haben festgestellt, dass es zu diesem Zeitpunkt noch erhebliche Leistungsminderungen gibt. Feinmotorik und Wahrnehmung sind gestört." Erst nach sechs Stunden werde durchschnittlich der Grenzwert von einem Nanogramm erreicht.

Straßenverkehrsgesetz noch nicht angepasst

Bislang hat der Grenzwert von 1,0 Nanogramm jedoch keinen Niederschlag im Straßenverkehrsgesetz (StVG) gefunden, weshalb Betroffene auch unterhalb dieser Grenze damit rechnen müssen, dass der Führerschein zunächst eingezogen wird. Zudem werden die Betroffenen meist zu einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) aufgefordert, um Drogenfreiheit nachzuweisen. Wegen der langen Nachweiszeiten von Cannabis kann dies langwierig sein. Die Kosten der Untersuchung, müssen die Betroffenen selber tragen.

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