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Bis zu 5-fach erhöhtes Krebsrisiko durch Alkoholkonsum

August 2018

Den meisten Menschen dürfte bewusst sein, dass übermäßiger Alkoholkonsum nicht gesund ist. Aber Krebs? Eine große Studie hat nachweisen können, dass Alkohol sehr wahrscheinlich die Ursache von Krebserkrankungen ist - und das nicht erst bei starkem Konsum.

Verpixelte Silhouette einer Person, die aus einer Bierflasche trinkt

Bild: DWerner / photocase.de

In der Jugend geht es meist los. Mit durchschnittlich 14,9 Jahren trinken die Deutschen ihr erstes Glas Alkohol. Etwa ein Jahr später erleben sie ihren ersten Rausch. Fast jede Person kommt hierzulande früher oder später mit Alkohol in Berührung. Nur eine kleine Minderheit von 3 Prozent bleibt lebenslang abstinent.

Alkohol gehört zweifelsohne für viele Menschen zu vielen gesellschaftlichen Anlässen dazu. Anders als beim Tabakrauchen, das in jeder Dosis schädlich ist, wird beim Alkoholtrinken zwischen risikoarmem Konsum und riskantem Trinkverhalten unterschieden. Gelegentlich wird sogar die Ansicht vertreten, dass moderater Konsum gesund sei. Doch neue Studien werfen Zweifel auf, ob es überhaupt einen gesunden Konsum gibt.

Ursache oder nur Zusammenhang?

Seit langem beschäftigt sich die Wissenschaft mit der Frage, ob Alkohol Krebs verursachen kann. Bislang war nicht immer klar, ob Alkohol als Ursache für Krebs zu nennen ist oder ob lediglich ein Zusammenhang besteht, bei dem in Wirklichkeit andere Faktoren entscheidend sind.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler scheuen in der Regel davor zurück, zu sagen: Alkohol verursacht Krebs. Meist heißt es, Alkohol würde das Risiko für Krebs lediglich erhöhen oder begünstigen. Das Problem ist, dass sich eine Krebserkrankung meist langsam entwickelt und dass Alkoholtrinken rückblickend nicht immer eindeutig als Ursache genannt werden kann. Menschen sind in ihrem Leben schließlich noch anderen Einflüssen ausgesetzt, die Krebs auslösen können. Diese komplett herauszufiltern ist schwierig bis unmöglich.

Die Forscherin Jennie Connor kommt nun auf der Grundlage neuer Studien zu der Schlussfolgerung, dass es inzwischen jedoch eine geradezu erdrückende Beweislast gibt, die nahelegt, dass Alkohol in vielen Fällen Krebserkrankungen verursacht.

Connor stützt sich dabei insbesondere auf eine Meta-Analyse, in der 572 Einzelstudien berücksichtigt wurden und die knapp 500.000 Fälle von Krebserkrankungen einschließt. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Vincenzo Bagnardi hat die umfassende Analyse durchgeführt und überprüft, welchen Einfluss Alkohol auf 23 unterschiedliche Krebsarten hat.

Mundhöhle, Rachen und Speiseröhre am stärksten betroffen

Den Ergebnissen zufolge erhöht Alkohol nachweislich das Risiko für sieben verschiedene Krebsarten. Die stärksten Effekte fand das Forschungsteam für Krebserkrankungen in der Mundhöhle, im Rachen und in der Speiseröhre. Im Vergleich zu abstinenten Menschen erhöhen Personen ihr Krebsrisiko in diesen Organen um das 5-fache, wenn sie stark Alkohol trinken.

Starker Alkoholkonsum liegt nach der Definition des Forschungsteams vor, wenn mehr als 50 Gramm reiner Alkohol bzw. mehr als vier Gläser Alkohol am Tag getrunken werden. Allerdings waren auch leichter und moderater Alkoholkonsum noch mit einem erhöhten Krebsrisiko in der Mundhöhle, im Rachen und in der Speiseröhre verbunden. Von leichtem Alkoholkonsum spricht das Forschungsteam, wenn täglich nicht mehr als ein Glas Alkohol getrunken wird.

Auch das Brustkrebsrisiko bei Frauen ist den Ergebnissen zufolge schon bei leichtem Alkoholkonsum erhöht und steigt mit der Konsummenge. Generell unterliege das Krebsrisiko bei den genannten Krebsarten einer Dosis-Wirkungsbeziehung. Das bedeutet: Je mehr Alkohol, desto höher das Risiko.

Darüber hinaus kann moderater und starker Alkoholkonsum Krebserkrankungen in der Luftröhre, im Darm und in der Leber verursachen. Es gibt zudem deutliche Hinweise, dass Alkohol bei Krebserkrankungen in der Bauchspeicheldrüse, der Prostata und in der Haut eine Rolle spielt. Das Risiko für Krebserkrankungen nimmt hingegen ab, wenn der Alkoholkonsum eingestellt wird.

Abbauprodukt Acetaldehyd als Krebsauslöser

Doch wie muss man sich die krebserregende Wirkung von Alkohol vorstellen? Alkohol löst vermutlich nicht direkt Krebs aus, sondern mittelbar über das Abbauprodukt Acetaldehyd. Alkohol wird schrittweise in unserem Körper abgebaut. Im ersten Schritt entsteht Acetaldehyd. Diese Substanz ist sehr giftig und wird erst in einem weiteren Schritt zu weniger gefährlichem Acetat umgewandelt.

Studien zeigen, dass Acetaldehyd auch im Speichel in hohen Konzentrationen vorkommen kann. Dadurch kann es das Gewebe in den oberen Atemwegen angreifen. Vermutlich gibt es sogar noch einen zweiten Wirkmechanismus, indem Alkohol bzw. Acetaldehyd zunächst das Gewebe schädigt und so den Weg bahnt für weitere krebserregende Stoffe. So erhöht sich das Krebsrisiko vor allem in Kombination mit dem Tabakrauchen, das nachweislich krebserregend ist.

Der krebsauslösende Mechanismus durch Acetaldehyd erfolgt auf der Ebene der DNA. Die DNA ist Träger unseres Erbguts, das den Bauplan für unsere Zellen enthält. Das DNA-Molekül besteht aus zwei Strängen, die miteinander verbunden sind und der DNA das Aussehen einer gewundenen Strickleiter verleihen. Krebszellen können dann entstehen, wenn die DNA beschädigt wird oder es zu Fehlern bei der Auslesung der auf der DNA enthaltenen Informationen kommt.

DNA-Schäden

Erst vor kurzem hat ein Forschungsteam nachweisen können, dass Acetaldehyd Doppelstrangbrüche in Stammzellen verursacht. Normalerweise schützt sich der Körper davor, indem Acetaldehyd schnell durch das Enzym Aldehyddehydrogenase in Acetat umgewandelt und DNA-Fehler durch Reparaturmechanismen korrigiert werden.

Wurde bei genetisch veränderten Mäusen nur eine dieser Schutzfunktionen ausgeschaltet, so wurden die Stammzellen viermal so stark geschädigt wie bei einer funktionierenden Abwehr. Dies könne schließlich die Krebsentwicklung antreiben.

Fazit

Alkohol kann eine Vielzahl organischer Schäden verursachen. Nach aktuellem wissenschaftlichem Stand kann Alkoholkonsum auch Krebserkrankung in mindestens sieben Körperregionen verursachen. Verantwortlich ist in erster Linie das Abbauprodukt Acetaldehyd, das die DNA von Stammzellen zu schädigen scheint.


Quellen:

  • Bagnardi, V., Rota, M., Botterie, E., Tramacere, I., Islami, F., Fedirko. V., Scotti, L., Jenab, M., Turati, F., Pasquali, E., Pelucchi, C., Galeone, C., Bellocco, R., Negri, E., Corrao, G., Boffetta, P. & La Veccia, C. (2015). Alcohol consumption and site-specific cancer risk: a comprehensive dose-response meta-analysis. Br J Cancer, 112(3), 580-593.
  • Connor, J. (2016). Alcohol consumption as a cause of cancer. Addiction, 112, 222-228.
  • Garaycoechea, J. I., Crossan, G. P., Langevin, F., Mulderrig, L., Louzada, S., Yang, F., Guilbaud, G., Park, N., Roerink, S., Nik-Zainal, S., Stratton, M. R. & Patel, K. J. (2018). Alcohol and endogenous aldehydes damage chromosomes and mutate stem cells. Nature, 553, 171-177.
  • Ohrt, B. (2017). Der Alkoholkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland. Ergebnisse des Alkoholsurveys 2016 und Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
  • Piontek, D., Gomes de Matos, E., Atzendorf, J. & Kraus, L. (2016). Kurzbericht Epidemiologischer Suchtsurvey 2015. Tabellenband: Alkoholkonsum, episodisches Rauschtrinken und Hinweise auf klinisch relevanten Alkoholkonsum nach Geschlecht und Alter im Jahr 2015. München: Institut für Therapieforschung.
  • Society for the Study of Addiction - Pressemitteillung (21.7.2016)

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