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Levamisol: Gefährlicher Verschnitt in Kokain

Januar 2015

Kokain enthält nicht nur Kokain. Konsumierende ziehen sich in den meisten Fällen noch weitere Substanzen in die Nase. Denn Kokain wird meist verschnitten, also mit anderen Substanzen gestreckt. Zunehmend häufiger kommt dabei ein Entwurmungsmittel aus der Tiermedizin zum Einsatz - mit teils gravierenden Folgen.

Schaf guckt frontal in die Kamera

Bild: TimToppik / photocase.com

Bei Pferden, Schafen und anderen Paarhufern hat sich Levamisol als Mittel gegen Darmparasiten bewährt. Das Wurmmittel hat aber noch andere Eigenschaften, die es für Drogendealer offenbar attraktiv machen, es zum Strecken von Kokain zu verwenden. Denn Berichten zufolge, hat die Verbreitung von mit Levamisol gepantschtem Koks zugenommen. Wie gefährlich ist Levamisol?

Erste Funde 2004

Meldungen über Levamisol in Kokain stammen überwiegend aus den USA. 2004 wurde erstmals darüber berichtet. Inzwischen seien mehr als 80 Prozent des illegal hergestellten Kokains in den USA mit Levamisol verschnitten. Expertinnen und Expertinnen vermuten, dass ein Großteil der Streckmittel bereits in den südamerikanischen Produktionsländern zugesetzt wird. Kokain, das auf illegalen Routen nach Europa exportiert wird, könnte also grundsätzlich die gleichen Streckmittel enthalten, die auch in den USA gefunden wurden. Und genau das scheinen aktuelle Studien zu bestätigen.

Anfang 2014 hatte ein Forschungsteam der Universität Wien in über 70 Prozent der untersuchten Proben, die als Kokain verkauft wurden, Levamisol entdeckt. Ausgangspunkt der Studie waren Untersuchungen der Wiener Informations- und Beratungsstelle „checkit!“. Etwa einmal pro Monat analysiert ein Team der Beratungsstelle Proben von Drogen, die auf Partys und Festivals konsumiert werden. Dabei stellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von „checkit!“ in den vergangenen Jahren teils massive Beimengungen von Levamisol fest und initiierten daraufhin die Studie.

Umwandlung zu amphetaminähnlicher Substanz

Das Forschungsteam der Universität Wien hat zudem untersucht, wie das Wurmmittel Levamisol im Körper wirkt. Die Forscherinnen und Forscher um Studienleiter Harald Sitte sind der Frage nachgegangen, ob womöglich von Levamisol selbst eine psychoaktive Wirkung ausgeht. Die ersten Testergebnisse konnten diese Vermutung jedoch nicht bestätigen. Keine der typischerweise durch Stimulanzien aktivierten Neurotransmitter wie Dopamin oder Serotonin wurden in nennenswerter Weise in ihrer Aktivität durch Levamisol beeinflusst.

Aus der Tiermedizin ist noch ein weiterer Effekt bekannt: Im Körper wird Levamisol zu Aminorex umgewandelt, einem amphetaminähnlichen Wirkstoff. Das Phänomen wurde beispielsweise im Pferde-Rennsport beobachtet. Rennpferde, die zuvor wegen Darmparasiten mit Levamisol behandelt wurden, sind unerwartet positiv auf Dopingmittel getestet worden. Später wurde dieser Effekt auch im Menschen nachgewiesen.

Verlängerte Wirkung

Harald Sitte und sein Team haben herausfinden können, dass Levamisol durch die Umwandlung zu Aminorex tatsächlich in ähnlicher Weise aktivierend wirkt wie Kokain. Das Besondere war der Zeitpunkt der Wirkung: Sie tritt nach Einnahme von Levamisol erst dann ein, wenn die Wirkung von Kokain bereits nachlässt.

Die Autorinnen und Autoren der Studie vermuten hierin einen Grund dafür, warum sich Levamisol so stark in illegal hergestelltem Kokain verbreitet konnte. Es vergrößere nicht nur auf relativ billige Art und Weise das Volumen von Kokain und damit auch den Profit von Drogenhändlern, Levamisol scheint die Wirkung von Kokain auch noch zu verlängern. Konsumierende könnten in den Glauben verfallen, besonders lang wirkendes Kokain eingenommen zu haben.

Absterbendes Gewebe

Häufiger Konsum von mit Levamisol gestrecktem Kokain kann aber verheerende gesundheitliche Folgen haben. Am gefährlichsten ist die Agranulozytose. Dabei handelt es sich um eine Bluterkrankung, bei der die Granulozyten zerstört werden. Granulozyten sind eine Unterart der Leukozyten, die für das Immunsystem des Körpers eine wichtige Rolle spielen. Werden sie zerstört, können sich in der Folge bakterielle oder virale Infektionen schnell und ungehindert ausbreiten und so zum Tod führen.

Eine weitere durch Levamisol hervorgerufene mögliche Erkrankung ist die nekrotisierende Vaskulitis. Das ist eine Entzündung der Blutgefäße, die zur Zerstörung und zum Verschluss von Gefäßen führt. Das von dem Gefäß versorgte Gewebe wird anschließend nicht mehr ausreichend durchblutet und stirbt ab. Es bilden sich bläuliche bis schwarze Flecken. Es gibt Fallbeispiele, in denen Kokainkonsumierenden Teile der Ohren, Wangen, Lippen oder Nase abgestorben sind. Auch können große Bereiche an den Händen, Armen oder Beinen betroffen sein.

Der Wirkstoff Aminorex, der sich durch die Verstoffwechselung von Levamisol im Körper bildet, kann ebenfalls fatale Folgen haben. Die Substanz wurde in den 1960er Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz als Appetithemmer vermarktet. In der Folge verzehnfachte sich das Auftreten einer lebensbedrohlichen Lungenerkrankung, der pulmonaren Hypertonie. Der erhöhte Blutdruck im Kreislauf der Lunge hat zunächst einen Leistungsverlust der Lunge zur Folge und kann letztlich zum Herzversagen führen. Aufgrund der starken Nebenwirkungen musste Aminorex 1972 wieder vom Markt genommen werden.

Fazit

Kokainkonsumierende müssen davon ausgehen, dass illegal hergestelltes Kokain so gut wie nie reines Kokain ist. Studien zufolge strecken Drogenhändler ihr Kokain zunehmend häufiger mit Levamisol. Ein Grund hierfür könnte die Tatsache sein, dass Levamisol im Körper umgewandelt wird zu Aminorex, einer Substanz, die eine amphetaminähnliche Wirkung erzeugt. Häufiger Konsum von Levamisol kann aber gravierende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Es gab bereits Todesfälle, die auf das Streckmittel Levamisol zurückgeführt wurden.

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