Topthema

Was bei einem Trip auf Pilzen passieren kann

Oktober 2020

Im Herbst sprießen wieder die Pilze aus dem Boden. Manche Exemplare enthalten den Wirkstoff Psilocybin, der halluzinogene Effekte auslöst. Der Rausch birgt jedoch schwer kalkulierbare Risiken.

Bild: IvanMikhaylov / istockphoto.com

Sie konnten ihn nicht aufhalten. Ein 18-Jähriger konsumierte im Freundeskreis Psilocybin-Pilze, auch bekannt als Magic Mushrooms. Zwei Personen nahmen ebenfalls Pilze, eine weitere Person beschränkte sich aufs Kiffen. Während der Session habe sich der 18-Jährige im Bad zunächst von den anderen isoliert. Plötzlich sei er nackt wieder herausgekommen, habe sich ungewöhnlich aggressiv verhalten und den starken Drang gezeigt, vom Balkon zu springen.

Die beiden anderen Personen, die ebenfalls auf einem Pilztrip waren, seien zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um eingreifen zu können. Die Person, die nur bekifft war, habe noch versucht, ihn davon abzuhalten, konnte das Unglück aber nicht verhindern. Den Sturz aus dem zweiten Stock hat der 18-Jährige nicht überlebt.

Tödliche Unfälle nach Psilocybin sind selten, kommen aber vor

Wie konnte das passieren? Untersuchungen des Mageninhalts sowie weitere Blut- und Urinanalysen ließen den Schluss zu, dass er tatsächlich nur unter dem Einfluss von Psilocybin stand. Der Cannabiswirkstoff THC konnte nur in geringer Konzentration nachgewiesen werden. Dies deute darauf hin, dass der letzte Joint schon etwas zurücklag und zum Zeitpunkt des Unglücks keine Rolle gespielt hat.

Der 18-Jährige habe die Pilze in seiner Wohnung selbst angebaut. Seine Freunde hätten angegeben, dass er die Pilze in der Vergangenheit konsumiert habe, um seine Schüchternheit zu überwinden. Als Erklärung für sein Verhalten, reicht das aber sicherlich nicht aus. Andere Anzeichen von psychischen Problemen habe es nicht gegeben.

Das Ärzteteam, das über den Fall berichtet, hat weitere Fälle recherchiert. Tödlich verlaufende Unglücke scheinen den Recherchen zufolge zwar selten zu sein, kommen aber hin und wieder vor. Der Fall des 18-Jährigen demonstriere nach Einschätzung der Autorinnen und Autoren, dass ein Trip auch unter scheinbar sicheren Bedingungen, wie dem Konsum im Freundeskreis, mit unkalkulierbaren Risiken verbunden sein kann.

Geringe Giftigkeit, aber psychische Ausnahmesituation

Die unmittelbare Giftigkeit von Psilocybin sei hingegen eher gering. Aufgrund von Tierexperimenten mit Ratten könne hochgerechnet werden, dass ein erwachsener Mensch etwa 17 Kilogramm frische Psilocybin-Pilze essen müsste, um eine potentiell tödliche Dosis aufzunehmen. Da der Körper bei dieser Menge in der Regel mit Übelkeit und Erbrechen reagiert, sei aber nicht zu erwarten, dass Konsumierende an der unmittelbaren Wirkung versterben. Es sei vor allem unerwartetes Verhalten, das im Rausch lebensgefährliche Unfälle nach sich ziehen kann.

Dennoch kann die Dosis eine Rolle spielen. Je höher die konsumierte Menge an Psilocybin, desto höher steigt die Wahrscheinlichkeit für besonders intensive Rauschverläufe. Insbesondere bei unerfahrenen, aber auch bei erfahrenen Personen könne der Rausch psychische Ausnahmesituationen hervorrufen. Das zeigt eine Umfrage unter Konsumierenden, an der knapp 2.000 Personen teilgenommen haben.

Horror-Trip auch unter erfahrenen Konsumierenden

Studienleiter Roland Griffiths und sein Team von der Johns Hopkins Universität in den USA baten die Befragten, sich an ihren schlimmsten Horror-Trip auf Pilzen zu erinnern und Angaben hierzu zu machen. Wie durchaus zu erwarten war, haben überwiegend Personen teilgenommen, die mehrmals Erfahrung mit halluzinogenen Pilzen gemacht haben. Vor ihrem schlimmsten Horrortrip seien zwischen sechs und zehn Konsumepisoden mit Pilzen vorausgegangen. Zum Zeitpunkt der Befragung waren sie im Schnitt 30 Jahre alt.

Etwa drei Viertel der Befragten gab an, dass sie vor ihrem Horror-Trip eigentlich guter Dinge waren. Die meisten haben im Freundeskreis konsumiert und fühlten sich gut darin aufgehoben. Allerdings hatten nur drei Prozent der Befragten einen „Tripsitter“ an der Seite. Das ist eine Person, die nüchtern bleibt, und im Falle des Falles helfend eingreifen kann.

Eines der einschneidendsten Erlebnisse ihres Lebens

Für 62 Prozent der Befragten zählte der angesprochene Horror-Trip zu den psychisch belastendsten Ereignissen, die sie jemals erlebt hätten. Für eine von zehn Personen war der Psilocybin-Trip sogar die einschneidendste Erfahrung, die ihnen jemals widerfahren sei. Dabei zeigte sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je mehr Psilocybin-Pilze sie gegessen hatten, desto heftiger war der Trip.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine Studie, in der schriftliche Erfahrungsberichte von Konsumierenden ausgewertet wurden. Hauptgrund für einen Horror-Trip waren den Ergebnissen zufolge beängstigende Veränderungen der Gedankenwelt. Insbesondere Paranoia, also das unbestimmte, aber bedrohliche Gefühl beobachtet oder verfolgt zu werden, scheint den Horror-Trip zu kennzeichnen.

In der Befragung der Johns Hopkins Universität gaben die meisten an, dass sie versucht hätten, sich selbst in Gedanken oder durch Selbstgespräche wieder zu beruhigen. Vielen sei dies auch gelungen. Andere hätten die Situation durch einen Ortswechsel entspannen können oder haben Freunde um Hilfe gebeten. Allerdings hat ein Teil der Befragten auch von kritischen Ereignissen berichtet.

Etwa eine von zehn Personen habe durch ihr Verhalten sich selbst oder andere dem Risiko ausgesetzt, körperlich Schaden zu nehmen. Drei von Hundert Befragten berichteten, dass sie aggressiv oder gewalttätig geworden seien. Ebenso viele mussten noch während ihres Pilztrips in einem Krankenhaus behandelt werden.

Suizidgedanken und psychotische Symptome

Eine von vier Personen litt noch eine Weile nach dem Trip an psychischen Problemen, unter anderem an Angststörungen, Depressionen und Paranoia. Bei manchen Personen markierte der Pilztrip den Beginn länger anhaltender psychotischer Symptome. Darunter waren Halluzinationen wie das Hören oder Sehen von Dingen, die nicht da sind. Auch eine schwere Form der Depersonalisation wurde berichtet. Das ist ein Phänomen, bei dem das eigene Denken und Erleben als fremd oder unwirklich erlebt wird.

Darüber hinaus gaben unter den knapp 2.000 Befragten fünf Personen an, während des Trips verstärkt an eine Selbsttötung gedacht zu haben. So habe eine Person versucht, sich mit einer Überdosis Benzodiazepine umzubringen und sei auf der Intensivstation eines Krankenhauses erwacht.

Griffith und sein Team warnen daher vor einer unkontrollierten Einnahme von Pilzen. Einige der Befragten hätten zum Teil sehr ernsthafte akute Probleme erlitten, die „nicht trivial“ seien.

Fazit

Der Konsum von psychedelischen Pilzen mit dem Wirkstoff Psilocybin kann starke halluzinogene Effekte auslösen. Wie sich der Trip entfaltet, ist nur schwer vorhersehbar. Je höher die Dosis, desto eher kann der Trip außer Kontrolle geraten. Fallberichte und Befragungen zeigen auf, dass auch unter scheinbar guten Bedingungen, erfahrene Konsumierende in psychische Ausnahmesituation geraten können, die von starker Angst geprägt sind. In seltenen Fällen ereignen sich durch das Verkennen der Realität auch Unfälle, die tödlich enden.

 

Quellen:

  • Bienemann, B., Ruschel, N. S., Campos, M. L., Negreiros, A. &Mograbi, D. C. (2020). Self-reported negative outcomes of psilocybin users: A quantitative textual analysis. PLoS ONE, 15(2), e0229067.
  • Carbonaro, T. M., Bradstreet, M. P., Barrett, F. S., MacLean, K. A., Jesse, R., Johnson, M. W. & Griffiths, R. R. (2016). Survey study of challenging experiences after ingesting psilocybin mushrooms: Acute and enduring positive and negative consequences. J Psychopharmacol., 30(12), 1268-1278.
  • Chi, T. & Gold, J. A. (2020). A review of emerging therapeutic potential of psychedelic drugs in the treatment of psychiatric illnesses. Journal oft he Neurologicaal Sciences, 411, 116715.
  • Honyiglo, E., Franchi, A., Cartiser, N., Bottinelli, C., Advenier, A.-S., Bévalot, F. & Fanton, L. Unpredictable Behavior Under the Influence of “Magic Mushrooms”: A Case Report and Review of the Literature. Journal of Forensic Sciences, 64(4), 1266-1270.
  • Van Amsterdam, J., Opperhuizen, A. & van den Brink, W. (2011). Harm potential of magic mushroom use: A review. Regulatory Toxicology and Pharmacology, 59, 423-429.

Kommentare

Kommentare

Um Kommentare schreiben zu können, musst du dich anmelden oder registrieren.