Langzeitstudie: Cannabis fördert psychotische Symptome

11.03.2011

Frühere Studien deuteten bereits darauf hin, nun wurde der Verdacht durch eine 10-Jahres-Langzeitstudie bestätigt: Wer in jungen Jahren mit dem Kiffen anfängt, hat ein doppelt so hohes Risiko, psychotische Symptome zu entwickeln, wie abstinente Personen. Wer dauerhaft viel kifft, riskiert, dass sich die psychotischen Symptome verfestigen.

Psychose als Haschisch-Wirkung oder Kiffen wegen Psychose?

Mehrere Studien haben bereits auf ein erhöhtes Psychoserisiko für Cannabiskonsumierende hingewiesen. Strittig war bislang die Frage, ob Cannabiskonsum eher Ursache oder Folge von psychotischen Episoden ist. Letzteres wäre dann der Fall, wenn Personen mit eine Veranlagung zu Psychosen bevorzugt zu Cannabis greifen. Dann könnte das Kiffen als eine Art Selbsttherapie begriffen werden, um die Symptome in den Griff zu kriegen. Letztlich geklärt werden kann diese Frage nur durch eine langzeitliche Untersuchung, bei der sich die zeitlichen Abläufe beobachten lassen.

Langzeitstudie verschafft Klarheit

Letztlich geklärt werden kann diese Frage nur durch eine langzeitliche Untersuchung, bei der sich die zeitlichen Abläufe beobachten lassen. Ein niederländisch-deutsches Forschungsteam um Studienleiter Jim van Os von der Universität Maastricht hat sich dieser Aufgabe verschrieben. Das Team analysierte die Daten einer repräsentativen Stichprobe, die im Raum München erhoben wurde. Knapp 2.000 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 24 Jahren wurden dreimal innerhalb von 10 Jahren befragt. Die Stichprobe war Teil der Studie „Early Developmental Stages of Psychopathology“ (EDSP).

Aufgrund der längsschnittlichen Perspektive konnte das Forschungsteam gezielt diejenigen Personen herauspicken, die zur ersten Befragung weder Cannabiserfahrung noch jemals psychotische Symptome erlebt hatten. In der statistischen Analyse wurden zudem zahlreiche weitere mögliche Einflussfaktoren berücksichtigt wie zum Beispiel der Konsum anderer Drogen oder traumatische Kindheitserfahrungen. Das Ergebnis fiel eindeutig aus: Jugendliche, die nach der Erstbefragung mit dem Kiffen angefangen hatten, wiesen ein 1,9-fach erhöhtes Risiko auf, zu einem späteren Zeitpunkt psychotische Symptome zu entwickeln.

In ihrem Fachartikel weisen die Autorinnen und Autoren jedoch auch darauf hin, dass gelegentliche psychotische Symptome durchaus verbreitet sind in der Allgemeinbevölkerung, meist aber ohne Folgen wieder abklingen. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie, die kontinuierlich Haschisch konsumiert oder Gras geraucht haben, wiesen aber ein 2,2-fach erhöhtes Risiko dafür auf, dass sich die Symptome verfestigen. Die Symptome können schließlich die Vorläufer einer manifesten Psychose wie der Schizophrenie sein.

Damit unterstützen die Ergebnisse der Studie die These, dass Cannabiskonsum Ursache psychotischer Symptome sein kann. Die Tatsache, dass die psychotischen Symptome sich bei fortgesetztem Konsum verfestigen, würden eher gegen die Theorie der Selbstmedikation sprechen, erläutern van Os und sein Team. Die Wirkung von Haschisch oder Gras würde das Problem in diesem Fall im Gegenteil eher verstärken.

Cannabis als zusätzlicher Stressor

Cannabis sei aber wahrscheinlich nicht die alleinige Ursache für Psychosen. Das Autorenteam favorisiert die Theorie, dass Cannabiskonsum einer von vielen Faktoren ist, die eine Person näher an oder über die Psychoseschwelle hieven können. Diese Faktoren werden auch als „Stressoren“ bezeichnet. Gesunde Menschen würden die Schwelle zur Psychose womöglich trotz Cannabiskonsum nicht überschreiten. Personen, die sich aufgrund anderer Stressoren bereits nahe an der Schwelle befinden, könnten aber aufgrund von Cannabiskonsum erstmals psychotische Symptome erleben. Cannabis wäre in diesem Sinne zwar nicht die alleinige Ursache, aber der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Quelle:
Kuepper, R., van Os, J., Lieb, R., Wittchen, H.-U., Höfler, M. & Henquet, C. (2011). Continued cannabis use and risk of incidence and persistence of psychotic symptoms: 10 year follow-up cohort study. British Medical Journal, 342, d738. Artikel


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