Keine generelle Zunahme von Psychosen durch legalen Cannabis in den USA

03.05.2023

In Bundesstaaten der USA, in denen Cannabis legalisiert wurde, gibt es laut Auswertungen von über 63 Millionen Krankenakten keinen bedeutsamen Anstieg von Psychosen.

Bild: Zenkyphoto / istockphoto.com

„Die Psychose hat sich ganz schleichend angedeutet. Ich habe ständig in irgendwelche Menschen, in irgendwelche Sachen, in irgendwelche Bilder etwas hineininterpretiert, was gar nicht da war. Und wenn es kleine Blicke von Leuten waren, die habe ich sofort irgendwie gedeutet, ‚der beobachtet mich‘ oder so.“ Oliver berichtet in einem drugcom-Video von seiner Psychose. Zweimal wurde es so schlimm, dass er in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden musste. Zuvor hatte er regelmäßig Cannabis konsumiert. Erst nachdem er aufgehört hat zu kiffen, hat er es geschafft, dauerhaft frei von Psychose zu sein.

Einzelfälle wie die von Oliver können zwar nicht belegen, dass Cannabis ursächlich Psychosen auslöst. Oliver wäre vielleicht auch ohne Cannabis psychotisch geworden. Wissenschaftlich betrachtet gibt es aber durchaus Hinweise, dass Cannabis psychotische Symptome auslösen kann. Allerdings gibt es in der Forschung auch eine Kontroverse darüber, ob Cannabis für psychotische Erkrankungen wie Schizophrenie verantwortlich sein kann.

Vergleich von US-Bundesstaaten mit und ohne Legalisierung

Wenn Cannabis bedeutsam zum Auftreten von Psychosen beitragen sollte, dann müssten in Regionen, wo viel gekifft wird, auch häufiger Psychosen diagnostiziert und mehr Medikamente zur Behandlung von Psychosen verkauft werden. Ein Forschungsteam aus den USA ist dieser Annahme auf den Grund gegangen. Studienleiterin Holly Elser und ihr Team haben dazu die anonymisierten Krankendaten von über 63 Millionen Menschen ab 16 Jahren analysiert.

Die Daten stammen aus allen Bundesstaaten der USA. In einigen Staaten darf Cannabis als Medizin verschrieben werden. Manche Bundesstaaten haben auch den Freizeitgebrauch von Cannabis legalisiert. Das Forschungsteam hat die Häufigkeit von Psychosen in Bundesstaaten, in denen Cannabis legal erhältlich ist, mit Bundesstaaten verglichen, in denen der Besitz von Cannabis weiterhin verboten ist. Elser und ihr Team argumentieren, dass die legale Vermarktung von Cannabis zu einer stärkeren Verbreitung des Cannabiskonsums führt. In der Folge müssten auch mehr Psychosen auftreten.

Nur bestimmte Personengruppen haben erhöhtes Psychose-Risiko

In ihrer Analyse kommen Elser und ihr Team jedoch entgegen ihrer Erwartung zu dem Schluss, dass es keinen statistisch bedeutsamen Anstieg von Psychosen in Bundesstaaten gibt, in denen Cannabis legal ist. Eine vertiefte Analyse offenbarte, dass zumindest Männer und Personen zwischen 55 und 64 Jahren sowie asiatisch stämmige Menschen häufiger an einer Psychose erkranken, wenn sie in Bundesstaaten mit legal erhältlichem Cannabis lebten.

Damit scheinen die Ergebnisse zumindest in Teilen anderen Studien zu widersprechen. Zu nennen wäre beispielsweis eine Studie mit Zahlen aus verschiedenen Regionen Europas und aus Brasilien. In der Studie zeigte sich, dass Psychosen generell häufiger in Regionen auftreten, wo viel hochpotenter Cannabis konsumiert wird. Eine andere Studie kommt zu dem Schluss, dass hochpotenter Cannabis ein 5-fach erhöhtes Psychose-Risiko bei täglichem Konsum nach sich zieht.

Einschränkend muss erwähnt werden, dass Elser und ihr Team nur Daten von Personen untersucht haben, die krankenversichert sind. In den USA sind viele Menschen mit geringem Einkommen jedoch nicht krankenversichert. Menschen mit geringem Einkommen haben aber generell ein erhöhtes Psychose-Risiko. Insofern kann es sein, dass die wahre Häufigkeit von Psychosen durch Cannabiskonsum unterschätzt wird. Elser und ihr Team empfehlen, das Auftreten von Psychosen durch legal verfügbaren Cannabis weiter zu erforschen.

 

Quelle:

Elser, H., Humphreys, K., Kiang, M. V., Mehta, S., Yoon, J. H., Faustman, W. O. & Matthay, E. C. (2023). State Cannabis Legalization and Psychosis-Related Health Care Utilization. JAMA Network Open, 6(1), e2252689. http://jamanetwork.com/article.aspx?doi=10.1001/jamanetworkopen.2022.52689


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