Verursacht Cannabiskonsum psychische und soziale Probleme?

20.08.2004

Diese Frage war und ist Gegenstand zahlreicher Forschungsstudien. Britische Forscher haben nun alle verfügbaren Längsschnittsstudien genauer unter die Lupe genommen. Ihr Ergebnis: Es ist nicht auszuschließen, dass Cannabis die Ursache für psychische oder soziale Folgeprobleme ist, aber es gibt keinen verlässlichen Nachweise dafür.

Längsschnittuntersuchungen funktionieren so: Man befragt eine größere Anzahl an Personen über einen längeren Zeitraum mehrmals zu demselben Thema, in diesem Fall zu ihrem Cannabiskonsum. Man will damit herausfinden, ob und in welchem Maße Cannabiskonsum mit negativen Konsequenzen zusammenhängt. Das Problem dabei ist, dass auch ein hoher Zusammenhang noch nichts darüber aussagt, ob dieser ursächlich ist. Beispiel: Es gibt einen hohen Zusammenhang zwischen der Schuhgröße und dem Einkommen. Werde ich also reicher, wenn ich größere Schuhe trage? Dumme Frage. Genau genommen hängt das Geschlecht mit dem Einkommen zusammen. Männer verdienen durchschnittlich mehr als Frauen - und haben meist größere Füße. Der Zusammenhang zwischen der Schuhgröße und dem Einkommen wird in Wahrheit also durch die Variable Geschlecht bedingt. Man spricht auch von Co-Variablen.

Nach eben diesen Co-Variablen haben John Macleod von der University of Birmingham und seinen Kollegen gefahndet, als sie vorhandene Längsschnittstudien recherchierten, die den Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum junger Menschen und psychosozialen Schäden untersucht haben. Sie fanden 48 Studien, von denen jedoch nur 16 einigermaßen verlässliche Hinweise liefern.

In diesen Studien werden Zusammenhänge zwischen Cannabiskonsum und psychosozialen Schäden untersucht. Dazu gehören beispielsweise psychische Probleme (z.B. Depression oder Schiziophrenie) der Konsum weiterer illegaler Drogen oder ein niedrigerer Bildungsabschluss. Macleod und seine Kollegen/innen kommen nach ihrer Analyse zu dem Ergebnis, dass es bislang keinen eindeutigen Beleg dafür gibt, dass diese Zusammenhänge kausal sind. Beispielsweise sei die Aussage „Cannabiskonsum führt zu niedrigeren Bildungsabschlüssen“ demnach nicht zulässig.

Nach Einschätzung der Forscher sind die psychosozialen Probleme vermutlich eher Ursache als Folge des Cannabiskonsums. Will heißen: Erst kommen die Probleme, dann das Kiffen. Ungünstigerweise würden die Probleme aber durch das Kiffen verstärkt, so dass hier eine gegenseitige Beeinflussung stattfindet.

Die Forscher und Forscherinnen warnen jedoch vor einer vorschnellen Verharmlosung. „Dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass der Gebrauch von Cannabis psychologisch gesehen harmlos ist; Schwierigkeiten mit den vorhandenen Belegen machen es genauso unmöglich, diese Ansicht zu vertreten.“ Letztlich hilft nur eins: Mehr Forschung.

Quelle:

The Lancet

Originalartikel:

Macleod, J., Oakes, R., Copello, A., Crome, I., Egger, M., Hickman, M., Oppenkowski, T., Stokes-Lampard, H., Smith, G. D. (2004). Psychological and social sequelae of cannabis and other illicit drug use by young people: a systematic review of longitudinal, general population studies. The Lancet, Vol 363, 1579-1588.


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