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Gestörte Hirnentwicklung beim frühen Einstieg

März 2014

Wenn Jugendliche kiffen, riskieren sie dauerhafte Hirnveränderungen. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass die Jugendphase eine kritische Periode für die Gehirnentwicklung darstellt und der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum kognitive Defizite nach sich ziehen kann.

Nudeln in Form eines Gehirns

Bild: berliner7 / photocase.com

„Ich habe mit 13 Jahren angefangen zu kiffen, eigentlich seit 20 Jahren durchgehend und auch nahezu täglich“, erzählt Nele im drugcom-Video „Cannabis und Hirnleistung“. Befragungen zeigen, dass viele Jugendliche schon früh in den Cannabiskonsum einsteigen. Das durchschnittliche Einstiegsalter liegt bei 16,7 Jahren. Da es sich um einen Mittelwert handelt, sind viele Jugendliche demnach erst 15 oder wie Nele noch jünger, wenn sie ihre ersten Erfahrungen mit Cannabis machen.

Der frühe Einstieg ist jedoch mit besonderen gesundheitlichen Risiken verbunden. In der Jugendphase findet ein fundamentaler Umbauprozess im Gehirn statt und die Hirnforschung liefert Hinweise darauf, dass Cannabiskonsum die Gehirnentwicklung beeinträchtigt. Auch Nele weiß davon zu berichten. Sie sagt, dass sie bei der Arbeit gemerkt habe, wie ihre Merkfähigkeit und ihr Konzentrationsvermögen immer stärker nachließen. Weil sie immer mehr Fehler gemacht habe, sei sie immer häufiger gestresst gewesen. Dies habe einen Teufelskreis nach sich gezogen, weil sie immer häufiger zum Joint gegriffen habe, um den Stress abzubauen, was die Konzentrationsprobleme aber nur noch verschlimmert habe.

Defizite im Arbeitsgedächtnis

In einer aktuellen Studie konnte nachgewiesen werden, dass kognitive Probleme wie Nele sie beschreibt möglicherweise umso stärker ausgeprägt sind, je früher Jugendliche in den Cannabiskonsum einsteigen. Matthew Smith und sein Forschungsteam haben bei jungen Erwachsenen, die schon als Jugendliche angefangen hatten zu kiffen, Hirnveränderungen und Gedächtnisprobleme festgestellt - und zwar zwei Jahre nachdem die jungen Menschen wieder aus dem Konsum ausgestiegen sind.

Das Forschungsteam hat die Gehirne ihrer Testpersonen mit Hilfe der Magnetresonanztomographie durchleuchtet und ihre kognitiven Leistungen in verschiedenen Tests, in denen das Arbeitsgedächtnis gefordert war, überprüft. Das Arbeitsgedächtnis kümmert sich um die Verarbeitung und vorübergehende Speicherung von Informationen und - falls notwendig - den Transfer in den Langzeitspeicher. Als Kontrollgruppe wurden cannabisabstinente Gleichaltrige herangezogen.

Nach Angaben des Forschungsteams sei es die erste Studie, die das Ausmaß der Veränderungen in den so genannten subcortikalen Regionen, also in den tieferliegenden Bereichen des Gehirns, mit Defiziten im Arbeitsgedächtnis in Zusammenhang bringen konnte. Probleme mit dem Arbeitsgedächtnis hätten weitreichende Folgen für die Betroffenen sowohl für den Alltag als auch für ihre Bildungschancen.

Zudem zeigte sich, dass besonders jene Hirnareale Veränderungen aufweisen, die auch bei an Schizophrenie erkrankten Personen betroffen sind. Die Forscherinnen und Forscher vermuten, dass der frühe Einstieg somit das Risiko für Schizophrenie bei jungen Menschen erhöhen könnte, sofern sie eine Veranlagung hierzu aufweisen. Doch was passiert im Gehirn der Früheinsteiger? Warum ist Cannabis in jungen Jahren so problematisch?

Gestörte kortikale Oszillation

Die Wissenschaft hat zeigen können, dass die Areale unseres Gehirns je nach Aktivität in unterschiedlichen Frequenzen miteinander kommunizieren. Wie ein Orchester, in dem verschiedene Instrumente in Einklang gebracht werden müssen, muss auch das Gehirn einen Rhythmus finden, um seine Areale optimal miteinander zu verschalten. Rezeptoren für endogene, also körpereigene Cannabinoide spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Wenn Jugendliche kiffen, bindet der Cannabiswirkstoff THC ebenfalls an den Cannabinoidrezeptoren im Gehirn. Einer US-amerikanischen Studie zufolge kann die so genannte kortikale Oszillation durch den Konsum aus dem Takt kommen. Kortikale Oszillationen sind rhythmische elektrische Potentiale in den Hirnarealen, die sich synchronisieren müssen, um Informationen auszutauschen. Die Folge gestörter kortikaler Oszillationen sind Defizite in der Hirnentwicklung, die Auswirkungen bis in das Erwachsenenalter haben können. Asaf Keller und sein Team haben dies im Tierexperiment nachgewiesen.

Über einen Zeitraum von 20 Tagen verabreichte das Team jungen Mäusen THC. Eine Kontrollgruppe bekam lediglich eine Salzlösung. Als die Tiere ausgewachsen waren, wiesen die mit THC behandelten Tiere abnormale Werte in der elektrophysiologischen Aktivität ihres Gehirns auf. In Verhaltenstests zeigten die mit THC behandelten Mäuse zudem Gedächtnisdefizite, während sich die Tiere der Kontrollgruppe normal verhielten.

Zur Überprüfung wiederholte das Team ihr Experiment mit Mäusen, die bereits ausgewachsenen waren. Bei diesen Tieren konnten keine dauerhaften Veränderungen in der kortikalen Oszillation nachgewiesen werden. Damit bestätigt sich die Annahme, dass insbesondere die Jugendphase als kritische Periode für die Hirnentwicklung zu betrachten ist.

„Das herausragende Ergebnis ist die Tatsache, dass die Mäuse nur sehr niedrige Dosierungen über eine kurze Periode im Jugendalter bekamen und dass diese Gehirnveränderungen bis ins Erwachsenenalter fortbestanden“, erklärt Erst-Autorin Sylvana Raver.

Fazit

Der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum hat möglicherweise weitreichende Folgen. Je früher der Einstieg, desto eher müssen Jugendliche mit kognitiven Einschränkungen rechnen. Es wird davon ausgegangen, dass die Einbußen im Arbeitsgedächtnis noch lange nach dem Einstellen des Konsums anhalten.

Quellen:


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