Früher Einstieg in den Cannabiskonsum könnte das Gehirn anfälliger machen für Psychose

09.06.2021

Eine Studie mit bildgebenden Verfahren legt nahe, dass der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum mit Veränderungen in der Gehirnstruktur einhergehen könnte. Diese Veränderungen seien auch bei Menschen mit Schizophrenie gefunden worden.

Bild: Bulat Silvia / istockphoto.com

Das menschliche Gehirn ist ein Wunderwerk der Natur. Es besteht aus rund 86 Milliarden Nervenzellen, die über ein komplexes Netzwerk miteinander in Verbindung stehen. Neugeborene haben etwa genauso viele Nervenzellen wie Erwachsene. Doch beim Baby sind die kleinen grauen Zellen noch nicht optimal verschaltet und auf Effizienz getrimmt. Der Prozess der Gehirnentwicklung vollzieht sich erst nach und nach und reicht bis ins junge Erwachsenenalter. So finden in der Phase der Jugend noch wichtige Umbauprozesse im Gehirn statt.

Studien zufolge könnte Cannabis einen ungünstigen Einfluss in dieser Phase haben. Körpereigene Rezeptoren, die das Endocannabinoid-System bilden, spielen dabei eine Rolle. Eine aktuelle Untersuchung zeigt nun auf, dass der frühe Einstieg in das Kiffen mit Gehirnveränderungen in Zusammenhang steht, die das Risiko für Schizophrenie erhöhen könnten.

Vermessung der grauen Substanz

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Joseph Kambeitz von der Universität Köln hat Personen im Alter zwischen 15 und 40 Jahren untersucht, die erstmals an einer Psychose erkrankt sind. Hierzu wurden an mehreren Standorten in Europa die Gehirne von insgesamt 102 Patientinnen und Patienten mit Hilfe der Magnetresonanztomographie „durchleuchtet“. Die Magnetresonanztomografie, abgekürzt MRT, kann den inneren Aufbau des Gehirns sichtbar machen.

Personen, die unter einer Schizophrenie leiden, weisen früheren Studien zufolge typische Veränderungen in der grauen Substanz bestimmter Hirnregionen auf. Als graue Substanz werden die Nervenzellkörper bezeichnet, die gräulich erscheinen. Das Forschungsteam ist der Frage nachgegangen, ob sich die strukturellen Veränderungen der grauen Substanz auch bei Personen finden, die früh in den Cannabiskonsum eingestiegen und später an einer Psychose erkrankt sind.

Hirnstruktur der Früheinsteiger zeigt Parallelen zu Schizophrenie

Dazu haben Kambeitz und sein Team die Teilnehmenden der Studie in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe umfasste Personen, die vor dem Alter von 17 Jahren in das Kiffen eingestiegen sind. In der anderen Gruppe befanden sich Personen, die ihren ersten Joint mit 17 Jahren oder später geraucht haben. Der Vergleich beider Gruppen machte deutlich: In verschiedenen Bereichen des Gehirns zeigen sich bei den Früheinsteigern die für Schizophrenie typischen Veränderungen in der grauen Substanz. Auch litten die Früheinsteiger stärker unter Halluzinationen und Wahnvorstellungen als die Personen, die später angefangen haben zu kiffen.

Lässt sich daraus schlussfolgern, dass der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum in die Gehirnentwicklung eingreift und so das Psychoserisiko erhöht? Ihre Studie sei nicht geeignet, diese Frage eindeutig zu beantworten, geben Kambeitz und seinem Team zu bedenken. So sei auch denkbar, dass sich die Gehirne der früh in den Cannabiskonsum Eingestiegenen schon vor dem ersten Joint von denen der später Eingestiegenen unterschieden. Die Forscherinnen und Forscher sprechen sich dennoch „vorsichtig“ dafür aus, dass Cannabiskonsum die Hirnreifung beeinflusst. Andere Studien wie beispielsweise eine MRT-Studie mit 14-Jährigen würden in die gleiche Richtung weisen.

 

Quelle:

Penzel, N., Antonucci, L. A., Betz, L. T., Sanfelici, R., Weiske, J., Pogarell, O., Cummung, P., Quednow, B. B., Howes, O., Falkai, P., Upthegrove, R., Bertolino, A., Borgwardt, S., Brambilla, P., Lencer, R., Meisenzahl, E., Rosen, M., Haidl, T., Kambeitz-Ilankovic, L, Ruhrmann, S., Salonkangas, R. R. K., Pantelis, C., Wood, S. J., Koutsouleris, N., Kambeitz, J. & PRONIA Consortium (2021). Association between age of cannabis initiation and gray matter covariance networks in recent onset psychosis. Neuropsychopharmacology, https://doi.org/10.1038/s41386-021-00977-9


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