Gehirnschäden durch Alkohol mindern Flexibilität im Denken

09.08.2023

Übermäßiger Alkohol ist nicht gesund fürs Gehirn. Das ist bekannt. Eine aktuelle Studie zeigt, welche Hirnbereiche besonders leiden und welche Auswirkungen das hat.

Bild: ronstik / iStock.com

Mit wem habe ich mich am Ende des Abends noch unterhalten? Und wie bin ich eigentlich nach Hause gekommen? Ein Filmriss, auch Blackout genannt, kann Lücken im Gedächtnis hinterlassen. Schuld daran sind Fehlfunktionen in einer Hirnregion, die als Hippocampus bezeichnet wird. Ein Filmriss verdeutlicht, wie schädlich Alkohol fürs Gehirn ist. Die meisten Schäden, die Alkohol verursacht, sind jedoch nicht so offensichtlich. Eine Studie unter der Leitung von Wolfgang Sommer hat untersucht, welche Bereiche des Gehirns besonders unter dem Alkoholkonsum leiden und was das für Auswirkungen haben kann.

Für die Studie wurden die Gehirne von 83 Männern im mittleren Alter mit Hilfe der Magnetresonanztomographie, kurz MRT, „durchleuchtet“. Auf MRT-Aufnahmen wird die innere Struktur des Gehirns sichtbar. 48 MRT-Aufnahmen stammten von Männern mit einer Alkoholabhängigkeit, die aber seit ein bis zwei Wochen in einer Klinik in Behandlung sind.

Alkohol schädigt Verbindung zwischen Hirnarealen

Zusätzlich wurden neuropsychologische Tests durchgeführt. Damit wurde die Verarbeitungsgeschwindigkeit und die so genannte kognitive Flexibilität der Teilnehmer untersucht. Kognitive Flexibilität ist die Fähigkeit, sich schnell auf Neues einstellen zu können. Um die neurobiologischen Mechanismen besser verstehen zu können, führte das Forschungsteam ähnliche Versuche an Ratten durch. Aufbauend darauf entwickelte es ein Computermodell, das die Folgen des Alkoholkonsums auf der Ebene der Nervenzell-Verbindungen „nachahmen“ sollte.

In einem ersten Schritt wurden die MRT-Aufnahmen der Alkoholabhängigen und der gesunden Kontrollpersonen verglichen. Dabei stellte das Forschungsteam Veränderungen in mehreren Gehirnbereichen fest. Am stärksten betroffen war eine Verbindung, die den Hippocampus mit einem Bereich verknüpft, der als präfrontaler Cortex bezeichnet wird. Diese Verbindung spielt eine wichtige Rolle, um Erinnerungen einspeichern und unbrauchbare Informationen aus dem Gehirn löschen zu können. Auch die Steuerung des Verhaltens und die Verarbeitung von Gefühlen ist davon betroffen.

Gehirnveränderungen spiegeln sich in verminderten kognitiven Fähigkeiten wider

Das Forschungsteam hat nachweisen können, dass die geschädigten Hirnstrukturen mit den Ergebnissen aus den Denktests zusammenhingen. Je stärker die Verbindung durch Alkohol geschädigt war, desto länger brauchten die Teilnehmer für die Testaufgaben und umso schlechtere Leistungen erzielten sie, wenn kognitive Flexibilität gefragt war.

Mit Hilfe des Computer-Modells hat das Forschungsteam untersucht, welche Auswirkungen die Gehirnschäden noch auf das Lernen und das Suchtverhalten haben könnten. Den Ergebnissen zufolge könnten die Alkohol-Schäden dazu führen, dass die betroffene Personen Schwierigkeiten haben, gewohntes Verhalten zu ändern. Dies könne nach Einschätzung des Forschungsteams auch den Erfolg beim Ausstieg aus den Alkoholkonsum gefährden.

Denn die Entwöhnung von Alkohol kann auch als ein Prozess des Verlernens verstanden werden. Alkoholabhängige haben gelernt, dass bestimmte Reize, wie eine Flasche Bier, positive Gefühle vermittelt. Diese gelernte Verbindung sollte im Zuge der Entwöhnung wieder gelöscht werden oder zumindest nicht mehr so präsent sein. Wenn aber die kognitive Flexibilität und die Fähigkeit des Verlernens aufgrund der Alkoholabhängigkeit gemindert sind, fällt es den Menschen mit einem Alkoholproblem schwerer, solchen Alkohol-Reizen zu widerstehen.

 

Quelle:

Pérez-Cervera, L., De Santis, S., Marcos, E., Ghorbanzad-Ghaziany, Z., Trouvé-Carpena, A., Selim, M. K., Pérez-Ramírez, Ú., Pfarr, S., Bach, P., Halli, P., Kiefer, F., Moratal, D., Kirsch, P., Sommer, W. H., & Canals, S. (2023). Alcohol-induced damage to the fimbria/fornix reduces hippocampal-prefrontal cortex connection during early abstinence. Acta neuropathologica communications, 11(1), 101. https://doi.org/10.1186/s40478-023-01597-8


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