Gibt es Belege für einen steigenden THC-Gehalt in Marihuana?

29.01.2010

Berichten zufolge ist der THC-Gehalt von Marihuana drastisch gestiegen in den letzten Jahren. 20- bis 30-fache Steigerungen des Wirkstoffs soll es geben. Um dem Phänomen wissenschaftlich auf den Grund zu gehen, hat ein australisches Forschungsteam die verfügbaren Studien zu diesem Thema recherchiert und ausgewertet. Eine eindeutig steigende Tendenz konnte das Team aber nicht bestätigen.

Fest steht, dass immer mehr junge Menschen wegen ihres problematisch gewordenen Cannabiskonsums eine Beratungsstelle aufsuchen. Dazu gibt es sowohl aus Deutschland als auch aus anderen Ländern Studien, die diesen Trend bestätigen. Könnte es da etwa einen Zusammenhang geben mit immer potenterem Gras?

Dieser Frage ist Jennifer McLaren von der Universität von New South Wales in Sydney zusammen mit ihrem Team nachgegangen. Insgesamt neun Studien aus den Jahren 1978 bis 2007 wurden in die Analyse einbezogen. Dabei konnten Daten aus den USA, Großbritannien, Österreich, der Tschechischen Republik, Deutschland, den Niederlanden, Italien, Portugal und Neuseeland ausgewertet werden. Bei den untersuchten Cannabisprodukten handelte es sich entweder um von der Polizei sichergestelltes Marihuana oder legal in Coffee Shops verkauften Cannabis. Das Forschungsteam hat sich bei seinen Recherchen ausschließlich auf Marihuana, also die getrockneten Blüten und Blätter konzentriert. Haschisch, das zu Platten verarbeitete Harz, wurde nicht berücksichtigt.

Die Auswertung zeigt, dass zwar durchaus Steigerungen im THC-Gehalt gefunden wurden, bedeutsame Zunahmen ließen sich jedoch nur für Großbritannien und den Niederlanden feststellen. Allerdings fand das Forschungsteam große Schwankungen zwischen den einzelnen Messergebnissen. Selbst innerhalb eines Jahres wurden enorme Schwankungen im THC-Gehalt der sichergestellten Proben gefunden. Beispielsweise wurden in britischen Proben aus dem Jahr 1979 THC-Gehalte von 0,2 bis 17 Prozent gefunden. Hoch-potente Formen von Cannabis sind demnach keine Neuerscheinung.

Die Forscherinnen und Forscher führen die Schwankungen in den Stichproben einerseits auf die verschiedenen Anbaumethoden zurück. Im Vergleich zu Pflanzen, die in der freien Natur angebaut werden, können die Wachstumsbedingungen in so genannten „Indoor-Plantagen“ optimal kontrolliert werden. So könne der THC-Gehalt auf konstant hohem Niveau gehalten werden. Dies sei eine mögliche Erklärung für den gestiegenen THC-Gehalt von Marihuana aus den Niederlanden, wo es auch einen Zunahme von Indoor-Plantagen gibt.

Andererseits könnten auch Unterschiede bei den Messmethoden zu den Abweichungen geführt haben, denn aus den Studien sei nicht immer deutlich hervorgegangen, welche Bestandteile vom Cannabis untersucht wurden. Besteht eine Probe beispielsweise hauptsächlich aus Cannabisblättern, ist der durchschnittliche THC-Gehalt eher niedrig, denn Blätter bzw. Stängel haben, unabhängig von der Sorte, einen deutlich niedrigeren THC-Gehalt als Blüten oder das Harz der Pflanze. Vor allem ältere Studien beziehen sich häufiger auf Proben, bei denen Blätter bzw. Stängel stärker in die Berechnung mit einflossen.

McLaren und ihr Team können die Einschätzung, dass der THC-Gehalt in Marihuana stetig steigt daher nicht bestätigen. Vielmehr unterliegen die überwiegend beschlagnahmten Marihuana-Proben starken Schwankungen sowohl im Vergleich der Jahrzehnte als auch innerhalb eines Jahres. Vor allem die Anbaumethode würde aber zu einem konstant hohen THC-Gehalt beitragen. Für das Team stellt sich deshalb die Frage, wie die Konsumierenden mit diesen Schwankungen umgehen. Denn angenommen wird, dass die Risiken für gesundheitliche Folgen wie Psychosen mit dem THC-Gehalt zunehmen.

Jüngere Studien belegen, dass Konsumierende die Konsummenge entsprechend der Intensität des Produkts dosieren, also weniger Marihuana verbrauchen, wenn es mehr THC enthält. Das gilt jedoch nicht für Konsumentinnen und Konsumenten, die den größtmöglichen Rauschzustand suchen. Sie reduzieren ihren Konsum auch bei hochpotentem Marihuana nicht, weshalb diese Personengruppe tatsächlich höhere Risiken eingeht.

Für die gestiegene Inanspruchnahme von Hilfsangeboten für Cannabiskonsumierende hat das Forschungsteam aber noch eine ganz andere Erklärung: Sie vermuten zum einen, dass die größere Palette an Beratungsangeboten immer mehr Menschen anspricht. Zum anderen sei das Einstiegsalter in den Konsum seit Anfang der 1990er-Jahre gesunken. Aufgrund ihres frühen Einstiegs würde diese Personen nun vermehrt Hilfe in Beratungsstellen aufsuchen.

Quelle:
McLaren, J., Swift, W., Dillon, P. & Allsop, S. (2008). Cannabis potency and contamination: a review of the literature. Addiction, 103 pp. 1100-1109.


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