Kiffer im Dauertest

29.06.2012

Wie wirkt sich langjähriger Cannabiskonsum auf die Leistungsfähigkeit des Gehirns aus? Und erholt sich das Gedächtnis, wenn Hardcore-Kiffer den Konsum einstellen? Ein australisches Forschungsteam hat Kiffer und Nicht-Kiffer über einen Zeitraum von acht Jahren getestet. Viele Versuchspersonen konnten sich verbessern. Doch das traf nicht auf alle zu.

Junger Mann mit Kapuzenpulli zieht an einem Joint

Bild: filadendron / istockphoto.com

„Nur geringe Gedächtnisprobleme durch langfristigen Cannabiskonsum“ lautete der Titel einer News auf „drugcom.de“ aus dem Jahre 2003. Igor Grant und sein Team hatten im Rahmen einer Meta-Analyse festgestellt, dass sich bei langjährigem Cannabiskonsum zwar geringfügige, aber signifikante Einbußen in der Merkfähigkeit feststellen ließen. Für die in der Studie einbezogenen Kiffer galt aber, dass sie am Tag der Testung drogenfrei sein mussten. Einerseits können besonders stark Konsumierende bereits durch Entzugserscheinungen in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit beeinträchtigt sind. Andererseits sei ein Tag Abstinenz möglicherweise zu wenig, da sich Cannabis und seine Abbauprodukte lange im Körper halten.

Darauf verweisen Robert Tait und sein Forschungsteam von der Australien National University in Canberra. Ihre Studie zielte daher darauf ab, die Auswirkungen des Cannabiskonsums oder des Ausstiegs über einen längeren Zeitraum und bei längerer Abstinenz zu testen. Insgesamt kamen in der Studie 1.978 Probandinnen und Probanden dreimal im Abstand von vier Jahren auf den Leistungsprüfstand. Sie mussten verschiedene Tests absolvieren, in denen die Lern- und Merkfähigkeit sowie das schnelle Erkennen von Wörtern und Zahlen geprüft wurde.

Zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung waren die Teilnehmenden zwischen 20 und 24 Jahre alt. Die meisten der Beteiligten haben bis zum Schluss nie einen Joint angerührt oder hatten bereits vor der ersten Untersuchung mit dem Kiffen aufgehört. Es gab aber auch viele aktuelle Kiffer, teils mit starkem, also wöchentlich regelmäßigem Konsum. Im Verlaufe der acht Jahre haben einige den Konsum eingestellt, andere sind ihrem Konsummuster treu geblieben. Das Forschungsteam bildete nach der dritten Erhebung je nach Konsumstatus unterschiedliche Personengruppen. Von besonderem Interesse waren vor allem starke Kiffer, die im Verlaufe der Studie aus dem Konsum ausgestiegen sind. Denn die Kernfrage lautete: Hinterlässt Cannabis dauerhafte Einbußen in der Merkfähigkeit?

Fast alle verbessern sich

Eine Analyse der Testergebnisse vom ersten Messzeitpunkt hat aufgezeigt, dass die Leistungen der Kiffer-Gruppen in den meisten Tests signifikant schlechter waren als die der abstinenten Versuchspersonen. Das war insofern nicht überraschend als die akute Wirkung von Cannabis sich bekanntermaßen ungünstig auf die Leistungsfähigkeit auswirkt und es kein Abstinenzgebot für die Probandinnen und Probanden gab. Aufschlussreicher waren die Ergebnisse nach acht Jahren. Denn einige der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben ihren Konsum in der Zwischenzeit eingestellt, andere haben weiter gekifft.

Es hat sich gezeigt, dass fast alle Probandengruppen ihre Testleistungen verbessern konnten. Das ist bei Leistungstests durchaus üblich, da es durch die Testwiederholung einen Lerneffekt gibt. Eine Gruppe konnte aber besonders ordentlich zulegen: Personen, die zur ersten Untersuchung noch einen starken Cannabiskonsum pflegten, während des Untersuchungszeitraums aber aufgehört haben zu kiffen und zur letzten Testung bereits mindestens zwölf Monate clean waren. Beim dritten Testdurchlauf waren ihre Ergebnisse auf dem Niveau derer, die nie gekifft hatten. Wer aber immer noch kifft, sei es gelegentlich oder stark, konnte sich hingegen nicht verbessern.

Ausstieg lohnt sich

Robert Tait und sein Team sehen ihre Ergebnisse als Ergänzung der Grant-Studie von 2003. Denn es habe sich gezeigt, dass sich die kognitiven Leistungen auch bei starkem Cannabiskonsum wieder auf das Level von Nie-Konsumierern verbessern kann, wenn sie seit längerem abstinent sind. Ein Ausstieg sei also lohnenswert.

Einschränkend erwähnen Tait und sein Team aber, dass ihre Schlussfolgerungen womöglich nur für Erwachsene gelten. Denn andere Studien würden darauf hinweisen, dass sich bei jungen Menschen auch Hirnveränderungen abzeichnen, wenn sie früh anfangen, regelmäßig zu kiffen.

Quelle:
Tait, R., Mackinnon, A. & Christensen, H. (2011). Cannabis use and cognitive function: 8-year-trajectory in a young adult cohort. Addiction, 106, 2195-2203.


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