Unser Gehirn auf LSD

22.04.2016

75 Millionstel von einem Gramm reichen aus. Es braucht nicht viel LSD, um unser Bild von der Welt und von uns selbst völlig zu verändern. Ein britisches Forschungsteam hat erstmal sichtbar gemacht, was LSD in unserem Gehirn anstellt.

Leuchtende Farbverläufe durch Langzeitaufnahme von einem Jahrmarktskarussel in der Nacht

Bild: Jonte Myr / photocase.com

Fast das ganze Gehirn leuchtet in bunten Farben. Studienleiter Robin Carhart-Harris und sein Team konnten mit Hilfe von bildgebenden Verfahren aufzeigen, dass unter der Wirkung von LSD viele Bereiche unseres Gehirns anscheinend gleichzeitig aktiviert werden, und das obwohl die Testpersonen sich ruhig verhielten und ihre Augen geschlossen hatten.

„Normalerweise besteht unser Gehirn aus unabhängigen Netzwerken, die verschiedene spezielle Funktionen erfüllen wie Sehen, Bewegungen und Hören - aber auch komplexe Dinge wie Aufmerksamkeit“, erklärt Carhart-Harris. Unter dem Einfluss von LSD funktioniert die getrennte Informationsverarbeitung jedoch nicht mehr. Das Gehirn scheint als Ganzes aktiviert zu werden und arbeitet eher wie eine Einheit.

Gehirn unter LSD ähnelt dem eines Kindes

Einzelne Hirnareale spezialisieren sich erst im Laufe der Entwicklung von der Kindheit bis zum Erwachsenen. Das Denken wird zunehmend fokussierter, indem weniger wichtig erscheinende Informationen ausgeblendet werden. Die Spezialisierung der Hirnareale scheint durch LSD jedoch zumindest für die Dauer der Wirkung wieder aufgehoben zu werden. „In vielerlei Hinsicht ähnelt unser Gehirn unter dem Einfluss von LSD mehr dem eines Kindes: frei und ungezwungen“, erläutert Cahart-Harris.

In einem Interview mit dem Magazin Nature erklärt David Nutt, Co-Leiter der Studie, dass insbesondere der visuelle Cortex seine Aktivität verstärkt. Diese Hirnregion ist für die bildliche Wahrnehmung zuständig und scheint unter dem Einfluss von LSD die Kommunikation mit anderen Gehirnregionen zu verstärken. Dies könne auch eine Erklärung dafür sein, warum es zu den intensiven Wahrnehmungsveränderungen unter dem Einfluss von LSD kommt. Je mehr Areale bei den Testpersonen beteiligt waren, umso komplexer und traumähnlicher waren die Erscheinungen.

Carhart-Harris fügt hinzu: „Unsere Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass dieser Effekt die Grundlage ist für die Bewusstseinsveränderungen, die Personen häufig während einer LSD-Erfahrung beschreiben.“ Konsumierende berichten von einem Zustand, den sie als „Ego-Auflösung“ bezeichnen. Damit ist gemeint, dass sich die normale Selbstwahrnehmung auflöst und sich ein Gefühl des Eins seins mit anderen oder der Natur einstellt.

An der Studie waren 20 Freiwillige beteiligt, denen entweder 75 Mikrogramm LSD oder ein Placebo, also ein nicht wirksames Mittel gespritzt wurde. Mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren wurde die Hirnaktivität sichtbar gemacht, während die Testpersonen mit geschlossenen Augen sich entspannen sollten. Trotz der kleinen Fallzahl hätten sich nach Aussage von David Nutt klare und statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Versuchsreihen mit und ohne LSD gezeigt.

Quellen:

  • Pressemitteilung Imperial College London (11.4.2016)
  • Nature News (11.4.2016)
  • Carhart-Harris, R., Muthukumaraswamy, S., Roseman, L., Kaelen, M., Droog, W., Murphy, K., Tagliazucchi, E., Schenberg, E. E., Nest, T., Orban, C., Leech, R., Williams, L. T., Williams, T. W., Bolstridge, M., Sessa, B., McGonigle, J., Sereno, M. I., Nichols, D., Hellyer, P. J., Hobden, P., Evans, J., Singh, K. D., Wise, R. G., Curran, H. V., Feilding, A. & Nutt, D. (2016). Neural correlates of the LSD experience revealed by multimodal neuroimaging. PNAS, doi: 10.1073/pnas.1518377113.

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