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Wo der Hanf herkommt

August 2010

Über neun Millionen Menschen in Deutschland haben in ihrem Leben schon einmal Cannabis konsumiert. Etwa 240.000 Personen gelten als abhängig, kiffen also meist täglich. Um den Bedarf zu decken müssen die Cannabismengen beachtlich sein. Wo kommt also das ganze Kraut her? Wie steht es um den Cannabisanbau in Deutschland? Und was ist mit der selbstgezüchteten Cannabispflanze auf dem Balkon?

Nicht jeder Hanf macht high. Industriehanf, der maximal 0,2 Prozent THC enthalten darf, wird bei Konsumierenden höchstens Kopfschmerzen, sicher aber keinen Rausch erzeugen. Der Anbau von Industriehanf ist in Deutschland daher legal. Allerdings ist hierfür eine Genehmigung erforderlich, die nur Landwirten, nicht aber Privatpersonen erteilt wird. Der Industriehanf wird üblicherweise zur Faserproduktion verwendet beispielsweise für Textilien oder Dämmmaterial.

Weltweiter Anbau

Landwirte schätzen die Pflanze wegen ihrer Genügsamkeit. Sie wächst auf den unterschiedlichsten Böden, in fast allen Regionen der Welt. Diese Eigenschaft der Pflanze machen sich auch illegale Drogenproduzenten zu nutze. Cannabisanbau erfolgt praktisch in allen Teilen der Erde. Die genaue Größenordnung der Anbauflächen lässt sich jedoch nur grob schätzen, da es verständlicherweise keine genauen Zahlen hierzu gibt. Nach Angaben des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) werden weltweit auf 200.000-641.800 Hektar Cannabis angebaut. Die Jahresproduktion wird auf 13.300-66.100 Tonnen Cannabiskraut und 2.200-9.900 Tonnen Cannabisblüten geschätzt.

Für den europäischen Markt gilt Marokko als Hauptanbaugebiet. Einem Bericht der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) zufolge stammen etwa 70 bis 80 Prozent, des in Europa gehandelten Cannabis aus dem nordafrikanischen Land. Nach Deutschland gelangt Cannabis schließlich überwiegend aus den Niederlanden, aber auch aus Belgien, Frankreich, Österreich und der Schweiz.

Cannabisanbau in sogenannten „Indoor-Plantagen“

Neben Cannabisanbau auf klassischen Außenflächen gewinnen in den Niederlanden und auch in Deutschland immer mehr so genannten Indoor-Plantagen an Bedeutung. In Gewächshäusern, Lagerhallen, Scheunen oder Wohnungen werden Cannabispflanzen häufig mit professioneller Technik gezüchtet. Durch das Optimieren von Wachstumsbedingungen werden dabei oft Pflanzen mit einem besonders hohen Anteil des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (THC) herangezogen. Wie viele Indoor-Plantagen es gibt ist nicht bekannt. Von der Polizei entdeckt worden sind im Jahr 2008 allerdings über 400. In den meisten illegalen Produktionsstätten wurden unter 100 Pflanzen gezüchtet und werden von der Polizei als Kleinplantage bezeichnet. 18 wurden als Großplantage klassifiziert, die 1.000 und mehr Pflanzen bis zur Blüte bringt. 2009 wurden sogar 26 Großplantagen ausgehoben.

Die meisten Indoor-Plantagen befinden sich nach Polizeiangaben in Nordrhein-Westfalen (NRW), was auf die Grenznähe zu den Niederlanden zurückgeführt wird. Die Polizei geht davon aus, dass ein Teil des in NRW produzieren Cannabis für niederländische Coffee-Shops bestimmt ist. In NRW wurde 2004 auch die erste ausschließlich auf Cannabiskriminalität bezogene Polizeiaktion unter dem Namen „Cannabisplantagen“ gestartet. Nach Einschätzung des Landeskriminalamts NRW hat der Cannabisanbau aber bundesweit zugenommen, was sich auch in der Polizei-Statistik niederschlägt. Während 1998 bundesweit noch 81.000 Cannabispflanzen sichergestellt wurden, waren es 2006 über 190.000. Seitdem ist die Zahl beschlagnahmter Pflanzen leicht zurückgegangen, lag 2008 mit 121.000 Pflanzen allerdings weiter auf hohem Niveau.

Bei der Suche nach Indoor-Plantagen setzt die Polizei mittlerweile bundesweit Hubschrauber mit Wärmebild-Kameras ein. Doch in vielen Fällen hilft auch „Kollege Zufall“, ausgelöst durch Unfälle wie Wasserschäden oder Kurzschlüsse. Oder die illegale Plantage fällt den Nachbarn aufgrund einer intensiven Geruchsentwicklung auf. In Nordrhein-Westfalen führt die Polizei sogar spezielle Informationsveranstaltungen durch, um die Bevölkerung durch Musterplantagen für den illegalen Cannabisanbau zu sensibilisieren.

Riskanter Eigenanbau

Trotz rechtlicher Risiken scheint der Cannabisanbau in Eigenregie und Konsumenten an Bedeutung zu gewinnen. Die DBDD hatte 2009 hierzu eine Konsumentenbefragung unter Klientinnen und Klienten von Drogenhilfeeinrichtungen durchgeführt. Ziel der Befragung war es, Hinweise auf mögliche Veränderungen der Cannabismärke zu gewinnen. Von 178 Befragten gaben 24 an, Eigenanbau zu betreiben. Die meisten würden es wegen des „niedrigeren Preises“ tun und weil sie „weniger Verunreinigungen“ befürchten. Darüber hinaus glauben viele, dass sie so eine „geringere Gefahr der Strafverfolgung“ hätten.

Die meisten Befragten hatten schließlich bis zu zehn blühende Pflanzen auf Balkon & Co. hochgezogen. In den Kategorien der Polizei fallen die meisten Cannabis-Heimgärten somit nicht einmal unter der Rubrik Kleinplantage. Doch alle, die illegal Cannabis anbauen, müssen wissen, dass der Eigenanbau ebenso wie der Erwerb und Besitz von Cannabis - egal in welcher Menge - strafbar ist. Zwar können laut § 31a des Betäubungsmittelgesetzes bei Vorliegen einer geringen Menge von einer Strafverfolgung abgesehen werden, doch bei Pflanzen mit hohem THC-Gehalt kann diese Grenze schnell überschritten werden.

Kritisch wird es vor allem dann, wenn die Pflanzenpracht in voller Blüte steht. Dann könnte auch die Grenze der so genannten „nicht geringen Menge“ erreicht sein. Der Bundesgerichtshof hat hierzu festgelegt, dass ab einer Menge von mindestens 7,5 Gramm THC der Tatbestand der „nicht geringen Menge“ erfüllt ist. Der THC-Gehalt einer Pflanze wird hierzu durch eine Laboruntersuchung bestimmt und anhand der Pflanzenmenge hochgerechnet. Wenn die beschlagnahmte Menge Cannabis die Grenze erreicht, drohen mindestens ein Jahr und bis zu fünf Jahren Haft, in minder schweren Fällen drei Monate.

Mit strafrechtlichen Konsequenzen wegen des heimischen Cannabisanbaus muss auch rechnen, wer sein selbst gezüchtetes Gras an andere abgibt, also verschenkt, ohne eine Gegenleistung dafür zu bekommen. Dies kann auch beim gemeinsamen Konsumieren mit anderen der Fall sein, wenn der Joint die Runde macht und von Person zu Person gereicht wird. Für die juristische Bewertung sind sicherlich die genauen Umstände jedes Einzelfalls entscheidend. Grundsätzlich sollten Kiffer aber wissen, dass die Abgabe auch geringer Mengen strafbar ist. Und eine mögliche Einstellung des Verfahrens entfällt auf jeden Fall, wenn Erwachsene über 21 Jahren Cannabis an Minderjährige, also unter 18 Jahren, abgegeben. Dann droht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr.


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