Cannabiskonsum und soziale Ängstlichkeit

10.10.2008

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum Menschen Cannabis konsumieren. Für die meisten Konsumierenden stehen sicherlich die als positiv erlebten Wirkungen im Vordergrund. Doch spielen für einige Personen auch andere Motive eine Rolle. In einer US-amerikanischen Studie konnte aufgezeigt werden, dass Cannabiskonsum in einem Zusammenhang mit sozialer Ängstlichkeit steht. Der Konsum werde demnach von sozial ängstlichen Personen zur Bewältigung von Problemen benutzt, fördere diese aber gleichzeitig.

Soziale Ängstlichkeit oder Sozialphobie ist die Angst in und vor sozialen Situationen. Genau genommen bezieht sich die Angst auf mögliche kritische Reaktionen anderer Personen, weil befürchtet wird, sich ungeschickt oder peinlich zu benehmen. Der Verdacht, dass die soziale Ängstlichkeit in Zusammenhang steht mit Cannabiskonsum ist nicht neu. Das Autorenteam um Leiterin Julia Buckner von der Florida State University in den USA gingen in ihrer Studie der Frage nach, ob die Intensität der Angst in Zusammenhang steht mit der Häufigkeit des Konsums und in welchem Maße Folgeprobleme daraus resultieren.

Zur Klärung der Forschungsfragen wurden 159 Studierende im Alter zwischen 18 und 26 Jahren befragt. Die Studierenden wurden im Rahmen eines Psychologie-Seminars zur Teilnahme gebeten. Alle hatten zumindest einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert. Etwa 60 Prozent gaben an, regelmäßig zu konsumieren.

Die Ergebnisse konnten entgegen den Erwartungen keinen Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der sozialen Ängstlichkeit und der Konsumhäufigkeit feststellen. Angstsymptome sind also nicht stärker verbreitet bei Personen, die viel kiffen. Vielmehr zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der sozialen Ängstlichkeit und dem Ausmaß an Folgeproblemen, die von den Befragten auf das Kiffen zurückgeführt wurden. Zu den Problemen zählen beispielsweise Fehlzeiten in der Schule oder in der Universität, Finanzschwierigkeiten oder Probleme mit dem Partner bzw. der Partnerin.

Wie lässt sich nun erklären, dass nicht die Konsumhäufigkeit, wohl aber konsumbezogene Probleme mit der sozialen Angst in Zusammenhang stehen? Ein weiteres Ergebnis der Studie wird von den Autorinnen und Autoren zur Erklärung herangezogen. So zeigte sich, dass bei sozial ängstlichen Personen die Motivation für das Kiffen stärker dadurch geprägt ist, unangenehme Gefühle zu „bewältigen“. Der aus dem englischen stammende Fachbegriff „Coping“ beschreibt dieses Verhalten, das auch vom Alkoholtrinken her bekannt ist. Ängstliche Personen benutzen die entspannende Wirkung von Cannabis, um ihre Angst vor sozialen Situationen zu mildern. Dies könne jedoch zur Folge haben, dass sie soziale Situationen meiden, aus Angst, sie könnten sich im berauschten Zustand nicht angemessen verhalten. Denn die Angst vor der Kritik anderer Personen ist, wie oben beschrieben, Ausdruck der Sozialphobie. Durch das Vermeidungsverhalten ergeben sich jedoch Folgeprobleme, wie Streitigkeiten mit der Familie oder dem Freundeskreis.

Hinzu komme die Tatsache, so schreibt das Autorenteam, dass die sozial Ängstlichen wegen des Kiffens keine anderen Coping-Strategien zur Bewältigung ihrer Angstsymptome entwickeln, was wiederum stärker zu Problemen mit dem sozialen Umfeld führt.

In ihrem Artikel weisen die Autorinnen und Autoren der Studie darauf hin, dass zur Bestätigung ihrer Vermutung weitere Forschung notwendig sei. Ihre Ergebnisse zum Zusammenhang von sozialer Ängstlichkeit und Cannabiskonsum zeigen aber einen wesentlichen Aspekt auf, der insbesondere für jene Personen wichtig ist, die ihren Cannabiskonsum reduzieren wollen. Denn wenn bislang das Kiffen (auch) dadurch motiviert war, Angstsymptome zu mildern, könnten genau diese zutage treten, sollte der Konsum eingeschränkt oder eingestellt werden. Wird der Cannabiskonsum zur „Selbst-Behandlung“ der Ängste aufrechterhalten, würde dies allerdings die Folgeprobleme verstärken. Wirkungsvoller ist es, alternative Coping-Strategien gegen soziale Ängste zu entwickeln. Hierfür ist es empfehlenswert, die fachkundige Unterstützung im Rahmen einer Beratung oder einer Therapie in Anspruch zu nehmen.

Quelle:
Buckner, J. D., Bonn-Miller, M. O., Zvolensky, M. J. & Schmidt, N. B. (2007). Marijuana Use Motives and Social Anxiety among Marijuana Using Young Adults, Addict Behav, 32, 2238-2252. Artikel (Pubmed Central)


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