Jugendlicher Cannabiskonsum mit erhöhtem Risiko für Depressionen und Suizidalität verbunden

22.07.2020

Eine Langzeitstudie aus der Schweiz legt nahe, dass der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum das Risiko für Depressionen oder Suizidgedanken im Erwachsenenalter erhöht.

Bild: nito100 / istockphoto.com

„Ich habe mich durchs Kiffen total abgesondert von Freunden, von der Familie und von Hobbys“, schreibt die 31-jährige Julia. Sie hat das Beratungsprogramm Quit the Shit genutzt, um ihren Cannabiskonsum einzustellen. Viele der Teilnehmenden haben sich wie Julia im Laufe ihrer „Kifferkarriere“ zunehmend zurückgezogen, fühlten sich ständig müde, kraft- und lustlos. Das können Symptome einer Depression sein.

Seit längerem wird auch in der Wissenschaft ein Zusammenhang zwischen Cannabis und Depressionen beobachtet. Studien zufolge befassen sich manche Cannabiskonsumierenden sogar mit dem Gedanken, sich selbst das Leben zu nehmen. Das Fachwort lautet Suizidalität. Besonders der frühe Einstieg in den Cannabiskonsum gilt als Risikofaktor für Depressionen und Suizidalität. Allerdings kann die Forschung nicht sicher Auskunft darüber geben, ob Cannabiskonsum Auslöser psychischer Probleme ist oder nur eine Begleiterscheinung anderer Probleme wie es eine frühere Studie nahelegt. Denkbar ist auch, dass Depressionen und Suizidalität dem Konsum vorausgehen und Kiffen lediglich benutzt wird, um sich von den Problemen abzulenken.

Langzeitstudie über 30 Jahre

Eine aktuelle Kohortenstudie aus der Schweiz wurde nun zum Thema Cannabis und psychischen Problemen veröffentlicht. 591 Personen wurden über einen Zeitraum von 30 Jahren mehrfach zu ihrem Konsum und ihrer Befindlichkeit befragt. Bei der ersten Befragung im Jahr 1978 waren die Teilnehmenden zwischen 19 und 20 Jahre alt. Studienleiter Michael Hengartner und sein Team haben neben dem Cannabiskonsum eine Reihe weiterer Faktoren erhoben, die mit Depressionen im Erwachsenenalter zusammenhängen könnten. Das kann beispielsweise ein emotional kaltes Familienklima sein oder der Konsum anderer Drogen.

Im Ergebnis hat sich der Verdacht bestätigt: Wer schon als Jugendlicher Cannabis konsumierte, hat später ein höheres Risiko für Depressionen und Suizidalität. Der Zusammenhang folgt einer Dosis-Wirkungs-Beziehung: Je jünger die Teilnehmenden beim ersten Joint waren und je häufiger sie schon in jungen Jahren gekifft haben, desto stärker nahm das Risiko für Depressionen und Suizidalität zu. Dieser Umstand spreche nach Aussagen der Forscher dafür, dass Cannabis tatsächlich ursächlich psychischen Probleme nach sich zieht.

Verschiedene Erklärungsansätze

Eine mögliche Erklärung: Der frühe Cannabiskonsum greift in die Gehirnentwicklung ein und führt zu neurobiologischen Veränderungen, die in der Folge das Risiko für Depressionen erhöhen. Denkbar sei nach Angaben der Forscher auch, dass Jugendliche mit regelmäßigem Cannabiskonsum das Interesse an einer guten schulischen Bildung verlieren, was indirekt zum Depressionsrisiko beiträgt. So haben Studien nachweisen können, dass früher Cannabiskonsum die Wahrscheinlichkeit für einen frühzeitigen Schulabbruch oder einen schlechteren Abschluss erhöht.

Allerdings können Hengartner und sein Team auch mit ihrer Längsschnittstudie nicht beweisen, dass Cannabis die Ursache für Depressionen und Suizidalität ist. Es sei nicht auszuschließen, dass die Befragten schon als Jugendliche, also vor der ersten Befragung, psychische Probleme hatten, die sie zum Einstieg in den Cannabiskonsum motivierten. Letztlich sei nach Meinung der Forscher vorstellbar, dass der Zusammenhang zwischen Depression und Suizidalität mit Cannabiskonsum das Resultat unterschiedlicher Entstehungswege ist.

 

Quelle:

Hengartner, M. P., Angst, J., Ajdacic-Gross, V. & Rössler, W. (2020). Cannabis use during adolescence and the occurrence of depression, suicidality and anxiety disorder across adulthood: Findings from a longitudinal cohort study over 30 years. Journal of Affective Disorders, 272, 98-103.


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