Verbales Gedächtnis leidet bei frühem Einstieg in Cannabiskonsum

07.10.2020

Wie wirkt sich Kiffen auf die geistigen Leistungen junger Menschen aus? Ein Forschungsteam aus den USA hat diese Frage unter Geschwistern untersucht.

 Bild: KatarzynaBialasiewicz / istockphoto.com

Beim Lernen für die nächste Klassenarbeit oder Klausur dürfte ein gutes Gedächtnis von Vorteil sein. Wer regelmäßig in der Jugend kifft, muss aber damit rechnen, dass die Merkfähigkeit leidet. Darauf verweisen die Ergebnisse einer aktuellen Studie aus den USA.

In der Vergangenheit gab es schon die eine oder andere Untersuchung zur Frage, wie sich Cannabiskonsum auf die Gehirnentwicklung Jugendlicher auswirkt. Es gibt Studien, die beispielsweise Hinweise dafür liefern, dass Kiffen Auswirkungen auf das Alltagsgedächtnis hat. Es gibt allerdings auch Studien, die Zweifel daran aufkommen lassen.

Studienleiter Jarrod Ellingson und sein Team erläutern in ihrem Fachartikel, dass die Intensität des Cannabiskonsums möglicherweise von entscheidender Bedeutung ist. In früheren Studien seien meist Jugendliche einbezogen worden, die nur gelegentlich, also etwa 1- bis 2-mal im Monat kifften.

Für ihre Untersuchung hat das Forschungsteam gezielt Jugendliche befragt, die regelmäßig konsumieren. Rund 1.200 Jungen und Mädchen im Alter von 17 Jahren und mit einem durchschnittlichen Cannabiskonsum von 7- bis 9-mal im Monat waren beteiligt. Das Besondere an der Studie war, dass auch Geschwisterkinder teilgenommen haben.

Je früher und intensiver der Konsum, desto schlechter das Gedächtnis

Neben einer Befragung zum Cannabiskonsum absolvierten die Jugendlichen umfangreiche Tests, in denen ihre geistige Leistungsfähigkeit auf die Probe gestellt wurde. Etwa fünf Jahre später wurden die Befragungen und Tests wiederholt.

Die Ergebnisse zeigten: Je jünger die Jugendlichen bei ihrem ersten Joint waren und je früher sie zu einem regelmäßigen Konsum übergegangen sind, desto schlechter war ihr verbales Gedächtnis im Alter von 24 Jahren. Sie konnten sich also Wörter weniger gut merken als Gleichaltrige, die gar nicht oder nur gelegentlich kifften. Andere kognitive Bereiche wie die Aufmerksamkeit oder die allgemeine Intelligenz schienen hingegen nicht durch frühen oder intensiven Cannabiskonsum beeinträchtigt zu sein.

Ergebnisse mit Geschwistern sprechen für ursächlichen Zusammenhang

Ihre Ergebnisse würden nach Angaben des Forschungsteams dafürsprechen, dass Cannabis ursächlich die Merkfähigkeit beeinträchtigt. Denkbar sei zwar, dass die schlechtere Merkfähigkeit genetisch bedingt ist und schon vor dem ersten Joint vorhanden war. Dagegensprechen aber die Ergebnisse aus dem Vergleich von Geschwisterpaaren.

Geschwister sind nicht nur unter ähnlichen Bedingungen aufgewachsen, sondern sich auch genetisch ähnlich. Der Vergleich zeigte: Je später die Brüder oder Schwestern in das Kiffen eingestiegen sind und je größer die Differenz bei der Häufigkeit des Konsums war, desto unterschiedlicher waren auch die Leistungen bei der Merkfähigkeit.

Aus Sicht von Ellingson und seinem Team lautet somit die Botschaft: Der Einstieg in den Cannabiskonsum sollte, wenn überhaupt, so spät wie möglich erfolgen. Die Risiken für die Gehirnentwicklung steigen mit zunehmender Intensität des Konsums. Zwar war der Gebrauch hochpotenter Cannabisprodukte nicht Gegenstand ihrer Studie, es müsse aber angenommen werden, dass Cannabis mit hohem Wirkstoffgehalt besonders schädlich für die Gehirnentwicklung ist.

 

Quelle:

Ellingson, J. M., Ross, J. M., Winiger, E., Stallings, M. C., Corley, R. P., Friedman, N. P., Hewitt, J. K., Tapert, S. F., Brown, S. A., Wall, T. L. & Hopfer, C. J. (2020). Familial factors may not explain the effect of moderate‐to‐heavy cannabis use on cognitive functioning in adolescents: a sibling‐comparison study. Addiction, https://doi.org/10.1111/add.15207.


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