Wie der Cannabisausstieg bei psychischer Erkrankung gelingt

20.09.2023

Für Personen mit einer psychischen Erkrankung kann der Ausstieg aus dem Cannabiskonsum eine besondere Herausforderung sein. In einer Interviewstudie haben Betroffene Auskunft darüber gegeben, was ihnen geholfen hat, nicht mehr zu kiffen.

Bild: fotografiker / photocase.de

„Versuche nicht, dich ausschließlich auf deine Willenskraft zu verlassen“ ist einer von mehreren Tipps. Ein Forschungsteam aus den Niederlanden hat zwölf Personen zu der Frage interviewt, wie sie es geschafft haben, erfolgreich aus dem Kiffen auszusteigen. Alle Teilnehmenden eint: Sie hatten nicht nur täglich gekifft, zusätzlich litten sie unter einer psychischen Erkrankung wie eine Depression, Angststörung oder Psychose.

Dennoch ist es ihnen gelungen, den Cannabiskonsum hinter sich zu lassen. Das ist insofern bemerkenswert, weil psychisch kranke Menschen es besonders schwer haben, aufs Kiffen zu verzichten. Denn Cannabiskonsum und psychische Erkrankungen können sich gegenseitig verstärken. Wie also haben sie es geschafft, der Sucht zu trotzen?

Motivation klären

Den Interviews zufolge gibt es zwar kein Patentrezept, eine wichtige Bedingung wurde aber genannt: Ausstiegswillige sollten eine klare Haltung haben. Oder, wie es eine befragte Person formuliert: „Stehe voll dahinter.“ Es brauche die feste Überzeugung, den Ausstieg anzugehen. Es reiche nicht, wenn andere Personen es von einem verlangen oder man sich nicht ganz sicher ist. Dann bestehe das Risiko, bei Problemen schnell rückfällig zu werden und das ganze Vorhaben abzublasen.

Die meisten Befragten waren durch die Erkenntnis motiviert, nicht mehr so weiter leben zu wollen wie bisher. Sie hatten den Eindruck, etwas grundlegend ändern zu müssen, um wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken zu können.

Unterstützung suchen

Auch wenn der klare Wunsch zur Veränderung da ist, so solle man nach Angaben der Befragten nicht ausschließlich auf seine Willenskraft vertrauen. Das belegen auch Studien, denen zufolge die Willenskraft sich wie ein Muskel erschöpfen kann. Die Befragten hätten es hingegen als hilfreich empfunden, Hilfe bei anderen Menschen zu suchen. Das könne professionelle Hilfe sein oder auch Unterstützung im Freundeskreis.

Den Freundeskreis haben einige der Befragten aber auch als Risiko wahrgenommen. Denn nicht alle unterstützen das Streben nach Abstinenz. Es könne daher helfen, in der kritischen Anfangsphase mehr Kontakt zu Menschen zu suchen, die dem Ausstieg positiv gegenüber gestimmt sind.

Kalter Entzug besser als Reduktion

Fast alle der Befragten sind von einem Tag auf den anderen aus dem Cannabiskonsum ausgestiegen. Sie sprechen auch vom „kalten Entzug“. Eine andere Methode wäre das (schrittweise) Reduzieren. Mit dem plötzlichen Ausstieg sind zwar unangenehme Entzugssymptome verbunden, ein Teil der Befragten ist sich aber dennoch sicher, dass dies die bessere Option sei.

Cannabisabhängigkeit als Problem anerkennen

Hilfreich und wichtig sei es, sich bewusst zu machen, dass es sich bei der Cannabisabhängigkeit um ein ernsthaftes Problem handelt. Dies gelte es, sich immer vor Augen zu führen und sich nicht verunsichern zu lassen, wenn andere sagen, Kiffen sei doch normal.

„Ich glaube, ich habe erfolgreich aufgehört, aber ich glaube nicht, dass ich meine Sucht jemals los werde. Sie ist immer in meinem Kopf“, sagt eine befragte Person. Und sollte es zu einem Rückfall kommen, lautet die Empfehlung: „Versuche es einfach noch einmal.“

Alternative Beschäftigungen aufgreifen

Natürlich ist der Ausstieg auch mit Widrigkeiten verbunden. Die Befragten weisen darauf hin, dass der Ausstieg neben Entzugssymptomen auch negative Emotionen auslösen kann, die bislang mit Cannabis unterdrückt wurden. Dazu komme die tägliche Routine des Kiffens. Um sich davon zu lösen und mit negativen Gefühlen klar zu kommen, sei es hilfreich, sich ganz bewusst mit Aktivitäten abzulenken, sei es ein Musikinstrument, Malen, Sport oder anderes. Eine Person habe beispielsweise mit dem Jonglieren angefangen, eine andere habe sich einen Hund angeschafft.

Insgesamt unterscheiden sich die Erfahrungen der Interviewten nicht grundlegend von den allgemeinen Empfehlungen für den Cannabisausstieg. Möglicherweise ist es für Menschen mit psychischen Erkrankungen aber besonders empfehlenswert, sich professionell beim Ausstieg unterstützen zu lassen. Dies kann eine ambulante Beratungsstelle vor Ort sein, eine stationäre Behandlung oder auch eine Online-Beratung.

Auf drugcom.de unterstützt das Online-Programm Quit the Shit Personen mit problematischem Cannabiskonsum darin, ihren Konsum zu beenden oder zu reduzieren. Die Teilnahme ist kostenlos und weitestgehend anonym.

 

Quelle:

Bruins, J., Crutzen, S., Veling, W. & Castelein, S. (2023). How to quit cannabis when you have a mental illness: study from the perspective of patients who have successfully quit. BJPsych Bulletin, https://doi.org/10.1192/bjb.2023.69


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