Drogenabhängige vergleichsweise oft von ADHS betroffen

01.03.2023

Jede fünfte Person mit einer Drogenabhängigkeit leidet unter ADHS. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Meta-Analyse der Universität Bonn.

Bild: Khosrork / istockphoto.com

Die Beine sind am Wippen, die Gedanken springen hin und her. Kinder mit ADHS fallen meist dadurch auf, dass sie ständig in Bewegung sind. ADHS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung. Im Erwachsenenalter kehrt sich die Unruhe häufig nach innen. Nach außen können Erwachsene mit ADHS erstaunlich „normal“ wirken.

Oft wird ADHS im Erwachsenenalter nicht entdeckt und nicht behandelt. Das kann Folgen haben, wie eine aktuelle Studie nahelegt. Forschende der Universität Bonn konnten in einer Meta-Analyse nachweisen, dass Drogenabhängige vergleichsweise häufig unter ADHS leiden.

Jede fünfte drogenabhängige Person von ADHS betroffen

Studienleiter Henrik Rohner hat mit seinem Team alle Studien gesichtet, in denen untersucht wurde, wie hoch der Anteil ADHS-Erkrankter unter Drogenabhängigen ist. Bei einer Meta-Analyse werden mehrere Studien zusammengefasst. Das hat den Vorteil, dass viel mehr Daten in die Analyse einfließen als bei einzelnen Studien. Für die Meta-Analyse wurden 31 Studien mit über 12.500 Teilnehmenden ausgewertet.

Dabei kam heraus, dass 21 Prozent der Drogenabhängigen, also etwa jede fünfte Person, unter ADHS leidet. Unter den Kokainabhängigen waren es 19 Prozent mit einer ADHS-Diagnose, unter den Opioidabhängigen 18 Prozent. Bei den Alkoholabhängigen war es sogar jede vierte Person. Zum Vergleich: In der erwachsenen Allgemeinbevölkerung weist gerade mal jede 40. Person ADHS auf.

Drogen als ADHS-Medikament mit starken Nebenwirkungen

Wie lässt sich der Zusammenhang zwischen ADHS und Drogenabhängigkeit erklären? Forschende haben dazu verschiedene Annahmen. Eine mögliche Erklärung ist, dass es Menschen mit ADHS schwerer fällt, ihren Drogenkonsum zu kontrollieren. Denn ein Merkmal von ADHS ist die Impulsivität. Als impulsiv werden Menschen bezeichnet, die nicht oder nicht so gut in der Lage sind, spontane Verhaltensimpulse zu kontrollieren. Menschen mit ADHS könnten daher dem Impuls, Drogen zu konsumieren, eher nachgeben als Menschen ohne ADHS.

Eine andere mögliche Erklärung ist, dass die Wirkung von Drogen für Betroffene mit ADHS einen stärkeren Reiz haben. Drogen können ADHS-Symptome zwar für eine Weile reduzieren. Langfristig kann die ADHS-Symptomatik aber eher noch zunehmen. ADHS wird bei Erwachsenen allerdings häufig nicht erkannt. Das kann zur Folge haben, dass Betroffene Schwierigkeiten haben, einen geeigneten Umgang mit den Symptomen zu finden. Sie benutzen Drogen dann womöglich dazu, sich selbst zu „behandeln“.

Die Autorinnen und Autoren der Meta-Analyse gehen deshalb davon aus, dass es für die Behandlung einer Abhängigkeit hilfreich ist zu wissen, ob man ADHS hat. Dann wären Betroffene in der Lage, sich bessere Strategien zur Bewältigung der Symptome anzueignen. Möglicherweise ließe sich in einigen Fällen eine Drogenabhängigkeit verhindern, wenn ADHS frühzeitig entdeckt werden würde.

 

Quellen:

  • AWMF (2017). S3-Leitlinie: ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Langfassung. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/028-045
  • Martinez-Raga, J., Szerman, N., Knecht, C., & de Alvaro, R. (2013). Attention deficit hyperactivity disorder and dual disorders. Educational needs for an underdiagnosed condition. International journal of adolescent medicine and health, 25(3), 231-243. https://doi.org/10.1515/ijamh-2013-0057
  • Rohner, H., Gaspar, N., Philipsen, A., & Schulze, M. (2023). Prevalence of Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) among Substance Use Disorder (SUD) Populations: Meta-Analysis. International Journal of Environmental Research and Public Health, 20(2), 1275. https://doi.org/10.3390/ijerph20021275
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  • Whelan, R., Conrod, P. J., Poline, J. B., Lourdusamy, A., Banaschewski, T., Barker, G. J., ... & Imagen Consortium. (2012). Adolescent impulsivity phenotypes characterized by distinct brain networks. Nature neuroscience, 15(6), 920-925. https://doi.org/10.1038/nn.3092

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