Gibt es Hirnveränderungen nach drei Jahren starkem Cannabiskonsum?

08.07.2016

In einer Langzeitstudie wurde untersucht, ob die graue Substanz im Gehirn durch Dauerkiffen abnimmt.

MRT-Aufnahmen

Bild: tac6 / photocase.com

Die Teilnehmenden der Studie kifften für gewöhnlich fast jeden Tag. Im Schnitt verbrauchten sie rund drei Gramm Cannabis pro Woche. Damit waren sie bestens geeignet für die Studie von Laura Koenders und ihrem Team. Die niederländischen Forscherinnen und Forscher suchten Dauerkiffer, die seit mindestens zwei Jahren mehr als 10 Tage pro Monat Cannabis konsumieren.

Das Forschungsteam ist der Frage nachgegangen, ob starker Konsum von Cannabis zu Gehirnveränderungen führt. Dazu wurden 20 Dauerkiffer im Abstand von drei Jahren untersucht. Zum Vergleich wurden 22 Nicht-Konsumierende herangezogen. Die Teilnehmenden waren im Schnitt etwa 21 Jahre alt.

Widersprüchliche Befunde in früheren Studien

Konkret ging es um die graue Substanz in bestimmten Hirnregionen. Als graue Substanz wird das Hirngewebe genannt, das überwiegend Nervenzellkerne enthält. Die bisherigen Studien zur Wirkung von Cannabiskonsum auf die graue Substanz haben widersprüchliche Ergebnisse hervorgebracht. Einige Studien haben ein geringeres Volumen an grauer Substanz bei Cannabiskonsumierenden nachgewiesen, andere haben hingegen keine Unterschiede gefunden oder sogar ein größeres Volumen der grauen Substanz.

Nach Ansicht von Laura Koenders und ihrem Team könnten die widersprüchlichen Ergebnisse eine Folge unterschiedlicher Stichproben von Cannabiskonsumierenden sein. Je nach Studie konsumierten die Teilnehmenden mehr oder weniger stark. Zudem wurden die Teilnehmenden in der Regel nur einmal untersucht. Es ist somit nicht klar, ob Cannabis tatsächlich zu Hirnveränderungen führt. Denkbar sei auch, dass sich das Gehirn von Cannabiskonsumierenden generell von denen abstinenter Personen unterscheidet.

Koenders und ihr Team haben dieselben Personen zwei Mal im Abstand von drei Jahren untersucht. Dadurch konnte das Forschungsteam bei jedem der Teilnehmenden überprüfen, ob sich die graue Substanz in der Zwischenzeit verändert hat. Die Untersuchung erfolgte mit Hilfe der Magnetresonanztomographie (MRT). Damit kann die Beschaffenheit von weichem Gewebe wie dem Gehirn sichtbar gemacht werden.

Keine unterschiedliche Entwicklung der grauen Substanz

Die Scans zum ersten Messzeitpunkt ergaben, dass sich Kiffer von Nicht-Kiffern unterscheiden. Je stärker die Personen Cannabis konsumierten, desto geringer war das Volumen der grauen Substanz in bestimmten Bereichen wie beispielsweise dem Hippocampus. Entgegen den Erwartungen der Forscherinnen und Forscher haben sich die Gehirne der Teilnehmenden jedoch nicht unterschiedlich entwickelt.

Eine gewisse Abnahme der grauen Substanz ist über die Jahre nicht ungewöhnlich. Allerdings hat sich keine stärkere Abnahme bei den Kiffern im Vergleich zu den Nicht-Kiffern gezeigt. Die Gruppe der Konsumierenden hatte wohlgemerkt weiterhin fast täglich gekifft. Wenn von Cannabis eine schädliche Wirkung auf die graue Substanz ausgehen würde, wären nach drei Jahren Dauerkiffen ein messbarer Effekt zu erwarten gewesen. Dies war jedoch nicht der Fall. Wie lässt sich das erklären?

Schädigung in der Pubertät oder genetische Unterschiede?

Denkbar wäre, dass die Unterschiede zum ersten Messzeitpunkt allein auf den Konsum in der Pubertät zurückzuführen sind. In dieser Phase findet ein wichtiger Schritt in der Gehirnentwicklung statt. Aus Sicht der Forscherinnen und Forscher sei es aber eher unwahrscheinlich, dass Cannabiskonsum nur bei Jugendlichen zu Gehirnveränderungen führt und anschließend keinerlei Auswirkungen mehr hat.

Das Forschungsteam geht eher davon aus, dass Gehirnunterschiede erblich bedingt sind. Die Beschaffenheit des Gehirns habe wiederum zur Folge, dass eine Person eher oder eher nicht dazu neigt, Cannabis zu konsumieren. Das Team verweist auf Ergebnisse aus Studien zu Alkohol, die entsprechende Schlussfolgerungen nahelegen.

Ob der Dauerkonsum Einfluss auf das Volumen der grauen Substanz hat, kann somit noch nicht abschließend beantwortet werden. Eine schädliche Wirkung bei Jugendlichen kann nicht ausgeschlossen werden. Zur Klärung der Frage müssten MRT-Bilder schon vor dem ersten Cannabiskonsum aufgenommen werden. Das sei Aufgabe zukünftiger Studien, erklären die Forscherinnen und Forscher.

Quelle:
Koenders, L., Cousijn, J., Vingerhoets, W. A. M., van den Brink, W., Wiers, R. W., Meijer, C. J., Machielsen, M. W. J., Veltman, D. J., Goudriaan, A. E. & de Haan, L. (2016). Grey Matter Changes Associated with Heavy Cannabis Use: A Longitudinal sMRI Study. PLoS ONE, 11(5), e 0152482.


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