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Über die Folgen von Speed

Mai 2009

Kristallines Methamphetamin

Bild: Kristallines Methamphetamin, Drug Enforcement Administration (DEA)

Er war nicht der erste, aber einer der berühmtesten unter den Dopingfällen der Tour de France. Als Tom Simpson sich am 13. Juli 1967 den Mont Ventoux in der Provence hochquälte, konnte er sich auf seinen letzten Kilometern kaum noch im Sattel halten. Vor laufenden Kameras passierte dann das Unfassbare: Der immer langsamer werdende Simpson fällt mit seinem Rad um, steigt zunächst wieder auf und bricht 500 Meter weiter endgültig zusammen. Tom Simpson starb an den Folgen von Speed. In einer Untersuchung nach seinem Tod fanden die Ärzte Amphetamine in seinem Blut. Unter dem Einfluss der Droge hat Simpson seinen Körper offenbar bis zum Kollaps hochgepeitscht. Auch Freizeitkonsumierende beuten mit Amphetaminen die Energiereserven ihres Körpers aus und gehen hohe Risiken dabei ein.

Vom Medikament zur Droge

Amphetamin - auch bekannt als „Speed“ oder „Pep“ -gehört in Deutschland zu den Betäubungsmitteln, deren Anwendung stark kontrolliert wird. Doch das war nicht immer so. In den 1930er Jahren wurde die künstlich hergestellte Droge erstmals als Medikament gegen Asthma vermarktet. Es sollte ein Ersatz sein für das natürliche Ephedrin, das aus der seltenen Ephedra-Pflanze gewonnen wird. Als nicht verschreibungspflichtiges Medikament war Amphetamin unter dem Markennamen „Benzedrin“ so leicht zugänglich wie Aspirin. Auch das später synthetisierte noch stärker wirkende Methamphetamin war als „Pervitin“ frei erhältlich. Heute wird für Methamphetamin auch der Slangname „Crystal“ verwendet. Im zweiten Weltkrieg wurden große Mengen von Amphetaminen hergestellt und vorwiegend von Soldaten konsumiert, um länger wach bleiben zu können. Erst als offensichtlich wurde, dass Amphetamine ein hohes Abhängigkeitspotential besitzen, wurden Verkauf und Verordnung von Amphetaminen weltweit beschränkt.

Verschiedene Abwandlungen von Amphetamin werden derzeit noch als Medikament verschrieben, beispielsweise Ritalin mit dem Wirkstoff Methylphenidat. Dieses Medikament wird zur Behandlung des Aufmerksamkeitsdefizits-und Hyperaktivitätssyndroms (ADHS) und bei der Narkolepsie eingesetzt. Der Konsum von Amphetaminen ohne medizinische Indikation gilt heute als illegal, wird aber dennoch von einigen zumeist jungen Erwachsenen betrieben. Repräsentativen Erhebungen zufolge haben im Jahr 2006 2,6 Prozent der 18- bis 24-Jährigen Deutschen in den letzten 12 Monaten Amphetamine konsumiert. In der Regel werden „Speed“ oder „Crystal“ gesnieft, es kann aber auch geschluckt werden. Zu den selteneren Konsumformen zählen das Spritzen und das Rauchen.

„Doping“ für’s Hirn: Nur eine Folge von Speed

Die Wirkung von Amphetaminen beruht im Wesentlichen auf die Freisetzung des Hirnbotenstoffs Dopamin und greift damit in das Belohnungszentrum des Gehirns ein. Bei niedriger Dosierung stellen sich Gefühle entspannter Aufmerksamkeit und Stärke ein. Konsumentinnen und Konsumenten erleben oft ein gesteigertes Selbstvertrauen, überschätzen aber meist ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Körperliche Wirkungen machen sich vor allem durch eine Erweiterung der Bronchien, dem Anstieg der Pulsfrequenz, des Blutdrucks sowie der Körpertemperatur bemerkbar. Hunger und Durstgefühle sowie Müdigkeit werden hingegen unterdrückt.

Ausbeutung der Energiereserven

Als Folge von Speed wird der Körper kurzfristig auf eine erhöhte Leistungsfähigkeit eingestellt. Diese Eigenschaft macht die Amphetamine als Dopingmittel für Leistungssporttreibende so interessant. Amphetamine führen dem Körper allerdings keine Energie zu. Vielmehr wirken sie wie eine Peitsche auf ein müdes Pferd, indem sie die Energiereserven des Körpers ausbeuten. Besonders riskant ist es, wenn Konsumierende „nachlegen“, also die Dosis erhöhen. Dabei kann es zu Erregungszuständen kommen, angefangen von Zittern und extremer Nervosität bis hin zu Muskelkrämpfen. Wer sich zudem stark anstrengt, sei es durch Sport oder beispielsweise durch ausdauerndes Tanzen, riskiert eine gefährliche Erhöhung der Körpertemperatur, die zu einem Hitzestau und einem nachfolgendem Kreislaufkollaps führen kann. Im Extremfall kann dies - wie das Beispiel Tom Simpson zeigt - mitunter tödlich enden.

Aufgrund der hohen Belastung für das Herz-Kreislaufsystem ist auch die Gefahr für Schlaganfälle und Herzinfarkte hoch. So konnte in einer US-amerikanischen Studie aufgrund einer Analyse von mehr als 8.300 Schlaganfallpatientinnen und -patienten aufgedeckt werden, dass in der Altersklasse der 18- bis 44-Jährigen vor allem der Konsum von Amphetamin, aber auch Kokain ein Risiko für Schlaganfälle ist. Dabei kommt es zu einem Riss in den Gefäßen, mit der Folge, dass Blut in das umliegende Hirngewebe eintritt. Konsumierende haben im Vergleich zu abstinenten Personen ein 5-fach erhöhtes Risiko für diese Art von Schlaganfall. Die gefäßschädigende Wirkung beschränkt sich aber nicht nur auf das Gehirn. In Fallstudien wurde berichtet, dass auch die Halsschlagader, die das Gehirn mit Blut versorgt, Risse bekommen kann, was lebensbedrohliche Folgen nach sich zieht.

Das Risiko Herzinfarkt ist generell mit dem Konsum von Stimulanzien verbunden. 2008 hatten Wissenschaftler die Daten von über 3 Millionen Patientinnen und Patienten ausgewertet, die zwischen 2000 und 2003 im US-Bundesstaat Texas in ein Krankenhaus eingeliefert wurden (Meldung vom 4.7.2008). Auf der Grundlage der Diagnosen haben die Forscher ausgerechnet, dass das Herzinfarktrisiko bei Amphetaminkonsum um 61 Prozent höher ist als bei Abstinenz.

Psychose

Schon seit den 1930er Jahren ist bekannt, dass sich besonders bei hohen Dosen eine Psychose als Folge des Speedkonsums entwickeln kann. Diese ist meist durch paranoide Wahnvorstellungen und Halluzinationen geprägt, wodurch starke Angstzustände ausgelöst werden können.

Hirnschäden

Besonders bei häufigem und hochdosiertem Konsum von Amphetaminen ist mit bleibenden Hirnschäden zu rechnen. Vor allem Methamphetamin, das auch als Crystal Meth bekannt ist, gilt als besonders neurotoxisch, also giftig für Nervenzellen. Tierexperimentelle Untersuchungen konnte nachweisen, dass Methamphetamin schon bei durchaus typischen Dosierungen Nervenzellen schädigt. Dementsprechend ausgeprägt sind auch die kognitiven Defizite wie Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme bei Langzeitkonsumentinnen und -konsumenten. In einer Studie zum Arbeitsgedächtnis konnte nachgewiesen werden, dass die Konsumentinnen und Konsumenten bei bestimmten Aufgaben bis zu 30 Prozent länger brauchten als Personen, die noch nie Methamphetamin konsumiert haben.

Abhängigkeit

Es sind erster Linie das gesteigerte Selbstwertgefühl sowie das Gefühl geistiger Klarheit und Leistungsfähigkeit, die die Droge so attraktiv machen - zumindest für Personen, die besonders empfänglich hierfür sind, weil sie das Gefühl haben, dass es ihnen an diesen Eigenschaften mangelt. Hinzu kommt der Effekt, der als Toleranzentwicklung bezeichnet wird. Konsumierende müssen bei wiederholtem Konsum immer mehr Amphetamine zu sich nehmen, da sie für die psychoaktiven Wirkungen zunehmend unempfindlich werden, sprich: eine Toleranz entwickeln. Die erwünschten Folgen von Speed nehmen bei gleicher Dosis ab. Dabei kann sich eine starke psychische Abhängigkeit ausbilden, die eine intensive psychotherapeutische Behandlung bedarf.


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