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Zunahme des Cannabiskonsums in der Corona-Krise

Februar 2021

Zur Bewältigung der Corona-Krise sind die Menschen dazu aufgerufen, ihre Kontakte zu reduzieren. Da kann sich schon mal Langeweile breit machen. Studien zeigen auf, dass Cannabiskonsumierende in dieser Situation verstärkt zum Joint greifen.

Bild: sam thomas / istockphoto.com

„Wir taten … nichts. Absolut gar nichts, waren faul wie die Waschbären.“ Ein älterer Mann berichtet, wie er als 22-Jähriger zum Helden wurde, weil er während der zweiten Corona-Welle konsequent zuhause blieb und nichts tat. Das Nichtstun gilt gemeinhin nicht als Tugend. In den kurzen Videospots #besonderehelden wird Faulheit jedoch zum Heldentum hochstilisiert.

Die „Helden“ sind in der Kampagne der Bundesregierung ironisch überzeichnet. Doch die Verschmelzung mit dem heimischen Sofa kann tatsächlich Leben retten. Es geht darum, Kontakte weitestgehend zu reduzieren, um sich und andere Menschen vor einer möglichen Ansteckung zu schützen.

Viel Zeit zuhause zu verbringen kann allerdings auch Langeweile mit sich bringen. Für den Einen oder die Andere kann es verlockend sein, sich den Tag mit Kiffen angenehmer zu gestalten. „Wenn man kifft, fällt einem das Nichtstun unfassbar leicht“, hat Mia in einer Kolumne im Magazin jetzt geschrieben. Inzwischen liegen auch Studien vor, die sich mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf den Cannabiskonsum befasst haben.

In einer Wiederholungsbefragung der Universität Amsterdam wurden 120 Cannabiskonsumierende mit 63 cannabisabstinenten Kontrollpersonen verglichen. Die erste Befragung fand statt, bevor das gesellschaftliche Leben heruntergefahren wurde, die zweite Befragung erfolgte während des Lockdowns im Frühjahr 2020.

Starke Zunahme von Einsamkeitsgefühlen

Den Befragungen zufolge haben sich viele Teilnehmende der Studie im Lockdown tatsächlich „heldenhaft“ verhalten und deutlich weniger Menschen im realen Leben getroffen. Davon betroffen waren vor allem die Kontakte zum Freundeskreis. Zugenommen haben hingegen die Online-Kontakte. Allerdings bemängeln die Teilnehmenden der Studie, dass die Qualität ihrer Kontakte abgenommen habe. Online kann offline offenbar nur bedingt ersetzen. Diese Entwicklung blieb nicht ohne Folgen.

Das Forschungsteam um Janna Cousijn stellte fest, dass Gefühle von Einsamkeit stark zugenommen haben. Sowohl Cannabiskonsumierende als auch abstinente Personen fühlten sich im ersten Lockdown im Frühjahr einsamer als vorher. Zudem haben sich beide Personengruppen Sorgen gemacht, sowohl über die Möglichkeit einer Infektion als auch über finanzielle Konsequenzen, die ihnen persönlich infolge der Corona-Krise drohen. Allerdings sind die untersuchten Personengruppen unterschiedlich mit ihrer Situation umgegangen.

Steigerung der Konsummenge

Während des Lockdowns haben die Personen der Cannabisgruppe ihren Cannabiskonsum bedeutsam gesteigert. Dies betraf nicht so sehr die Anzahl an Konsumtagen. Die lag mit durchschnittlich 20 Tagen im Monat ohnehin schon vergleichsweise hoch. Vielmehr haben Konsumierende die Menge gesteigert, also mehr Joints oder Bongs am Tag geraucht und mehr Cannabis dabei verbraucht als sonst. Dazu ist wichtig zu wissen, dass der Verkauf von Cannabis in den niederländischen Coffee Shops auch im Lockdown möglich war.

Die Zunahme des Cannabiskonsums scheint vor allem von dem Wunsch angetrieben zu sein, sich besser zu fühlen. In der Befragung während des Lockdowns wurden deutlich häufiger entsprechende Konsummotive genannt. Dies sei nach Einschätzung des Forschungsteams vermutlich auf die Langeweile zurückzuführen, die sich im Zuge der sozialen Isolation breit gemacht hat.

Mehr Konsum in sozialer Isolation

Eine kanadische Studie, die ebenfalls vor und während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 durchgeführt wurde, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Demnach haben Cannabiskonsumierende, die sich im Lockdown in soziale Isolation begeben haben, im Schnitt 20 Prozent mehr gekifft als befragte Personen, die sich nicht isoliert haben. Eine verstärkte Neigung zum Kiffen zeigten vor allem jene Personen, die von sich sagen, dass sie Cannabiskonsum benutzen, um mit depressiven Gefühlen fertig zu werden.

Langeweile und Einsamkeit werden auch in einer weiteren Studie aus den Niederlanden für den verstärkten Griff zum Joint verantwortlich gemacht. Studienleiterin Margriet van Laar und ihr Team haben über 1.500 Cannabiskonsumierende online befragt. Demnach haben 41 Prozent ihren Konsum gesteigert, 49 Prozent haben auf dem üblichen Niveau weiter gekifft und nur 7 Prozent haben reduziert. Von den Personen, die ihr Konsummuster beibehalten haben, waren viele ohnehin bereits tägliche Kiffer. In der Corona-Krise haben aber auch Menschen ihren Cannabiskonsum gesteigert, die bislang nur gelegentlich kifften.

Mischen von Cannabis mit Tabak bevorzugte Konsummethode

Margriet van Laar und ihr Team stellten ebenso wie das Forschungsteam der Universität Amsterdam fest, dass die Befragten nicht nur an mehr Tagen während des Lockdowns kifften. Die Befragten gaben auch an, mehr Joints pro Tag geraucht zu haben. Das Rauchen gilt jedoch als Risikofaktor für schwere Krankheitsverläufe mit COVID-19. Dies gilt insbesondere für Cannabiskonsumierende, da die meisten gleichzeitig auch Tabak rauchen. In der Online-Befragung unter der Leitung von Margriet van Laar nannten etwa neun von zehn Befragte das Rauchen von Cannabis, gemischt mit Tabak, als bevorzugte Konsummethode.

Forscherinnen und Forscher empfehlen daher, dass Cannabiskonsumierende ihren Konsum reduzieren sollten. Sie könnten die aktuellen Herausforderungen auch als Chance nutzen, das eigene Konsumverhalten zu hinterfragen, zumal mit zunehmendem Konsum auch das Risiko für die Entwicklung einer Cannabisabhängigkeit steigt.

Konsumverzicht gut planen

Der Verzicht auf eine liebgewordene Beschäftigung sollte aber möglichst gut geplant angegangen werden. Wer jetzt viel freie Zeit hat, sollte sich am besten einen festen Tagesablauf vornehmen und diesen auch einhalten. Feste Strukturen helfen gegen Chaos und zähmen den inneren Schweinehund, der gerne den Weg des geringsten Widerstands geht. Zu einem Tagesplan zählen zum Beispiel feste Zeiten fürs Essen, Schlafen, Arbeiten, Lernen und so weiter.

Wenn das Kiffen bisher viel Zeit beansprucht hat, sollte diese nun mit alternativen Aktivitäten gefüllt werden. Ideen dazu und weitere Informationen zur Frage „Wie höre ich mit dem Kiffen auf?“ finden sich in einem Video auf dem YouTube-Kanal von drugcom.de und unter der Rubrik Wissenswertes auf Quit the Shit. Quit the Shit gehört zu drugcom.de und ist ein kostenloses Beratungsprogramm speziell für Cannabiskonsumierende.

Fazit

Die Reduzierung persönlicher Kontakte ist eine wirksame Maßnahme, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Wer zuhause bleibt, leidet aber möglicherweise verstärkt unter Langeweile oder fühlt sich einsam. In dieser Situation greifen Cannabiskonsumierende offenbar gerne zum Joint, um sich den Alltag angenehmer zu gestalten.

Allerdings nehmen mit zunehmendem Cannabiskonsum auch die gesundheitlichen Risiken zu. Dies kann die Entwicklung einer Cannabisabhängigkeit sein. Auch steigt das Risiko für schwere Krankheitsverläufe mit COVID-19, da das Rauchen generell die Atemwege belastet. Forscherinnen und Forscher empfehlen daher, bewusst auf Cannabis zu verzichten. Eine aktive Umgestaltung des Alltags wäre dann sinnvoll. Helfen kann auch die Nutzung von Online-Beratungsangeboten wie Quit the Shit.

 

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